Seit Oktober 2020 können Privatleute ihre Schulden innerhalb von drei statt wie bisher sechs Jahren im Rahmen eines Insolvenzverfahrens loswerden. Die Stiftung Warentest hat in ihrer Zeitschrift „Finanztest“ das Wichtigste zusammengefasst.
Überschuldung
Sind Verbindlichkeiten wie Miete und Kreditraten höher als das Vermögen, gilt eine Person als überschuldet. Zahlungsunfähig oder insolvent ist jemand erst, wenn er bereits fällige Forderungen nicht mehr bezahlen kann. Dann kann die Person einen Insolvenzantrag stellen. Dazu ist er aber nicht verpflichtet – anders als Geschäftsführer von GmbHs. Trotz Corona gab es 2020 nicht mehr, sondern weniger Insolvenzen: Von Januar bis September 2020 stellten 25 Prozent weniger Einzelpersonen einen Insolvenzantrag als im Vorjahreszeitraum.
Als Grund für den Rückgang vermutet das Statistische Bundesamt ein Ende 2020 verabschiedetes Gesetz, das eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 in nationales Recht umsetzt. Einzelpersonen können jetzt innerhalb von drei Jahren ihre Schulden loswerden. Zuvor hat das sogenannte Verfahren zur Restschuldbefreiung in der Regel sechs Jahre gedauert. Da nur Anträge ab Oktober 2020 von der neuen Drei-Jahres-Frist profitieren, haben einige Schuldner abgewartet.
Beratung
Was tun, wenn das Geld tatsächlich knapp wird? „Leider kommen viele Menschen zu spät zu uns, wenn die Überschuldung schon eingetreten ist“, zitiert Finanztest Christoph Zerhusen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten sollten sich frühzeitig beraten lassen, es gibt dann mehr Handlungsmöglichkeiten.
Mithilfe der Beratungsstelle verschaffen Schuldner sich einen Überblick über die Finanzen und können versuchen, sich mit den Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren, auch Privatinsolvenz genannt, ist ein solcher Versuch vorgeschrieben. Bei dem Regelinsolvenzverfahren für Selbstständige und für ehemalige Selbstständige mit mehr als 19 Gläubigern oder mit Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ist das freiwillig.
Verfahren
Scheitert der Versuch, eine Einigung zu erzielen, stellt der Schuldner, oft noch mithilfe der Beratungsstelle, einen Insolvenzantrag beim zuständigen Gericht. Für Verbraucher ist in der Regel das Amtsgericht ihres Wohnorts zuständig, für Selbstständige meist ein zentrales Insolvenzgericht.
Die beiden Verfahren – Verbraucher- und Regelinsolvenz – unterscheiden sich nicht wesentlich. Das Gericht benennt einen Insolvenzverwalter, der ein Verzeichnis der Gläubiger erstellt. Die Insolvenz wird öffentlich bekannt gemacht, zum Beispiel auf der Webseite Insolvenzbekanntmachungen.de.
Bislang nicht bekannte Gläubiger können ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Dieser hat die Aufgabe, das vorhandene Vermögen – die Insolvenzmasse – unter den Gläubigern aufzuteilen. Er kann Vermögenswerte wie Immobilien, Luxusgegenstände oder Autos auch verkaufen. Wurde das Vermögen des Schuldners auf diese Weise verteilt, endet das Insolvenzverfahren. Es dauert üblicherweise ein bis zwei Jahre.
Insolvenzplan
Eine weitere Möglichkeit, seine Schulden loszuwerden, bietet der Insolvenzplan. Er kommt nur für Menschen infrage, die einen Geldgeber haben. Die Grundidee: Man kann Gläubiger durch eine Einmalzahlung besserstellen, als es mit dem Insolvenzverfahren der Fall wäre, und verkürzt so das mehrjährige Verfahren. Es müssen nicht alle Gläubiger zustimmen, sondern nur die Mehrheit der bei der Gläubigerversammlung Anwesenden. Auch Schulden aus Straftaten, sonst nicht Teil des Insolvenzverfahrens, kann man so loswerden.
Restschuldbefreiung
Für die meisten kommt nur das Insolvenzverfahren infrage. Zeitgleich mit dem Insolvenzantrag beim Gericht stellt der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Dieses Verfahren läuft zunächst „still“ neben dem Insolvenzverfahren. Wenn dieses abgeschlossen ist, beginnt die sogenannte Wohlverhaltensphase.
In dieser Zeit muss der Schuldner gewisse Vorgaben erfüllen, beispielsweise arbeiten oder Arbeit suchen. Außerdem muss er einen Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abgeben, der das Geld an die Gläubiger verteilt. Dabei ist der Pfändungsfreibetrag von derzeit 1178,59 Euro geschützt; er darf also nicht gepfändet werden. Es sollte ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet werden. Die Pfändungsfreigrenze liegt je nach Höhe des Einkommens und der Anzahl unterhaltspflichtiger Personen höher. Mehr dazu gibt es online (test.de/pfaendungsrechner).
Selbstständige können auch während eines Insolvenzverfahrens tätig sein. Häufig dürfen sie sogar Einnahmen jenseits dessen, was für sie als fiktives Gehalt als Angestellte kalkuliert wurde, behalten. So können sie sich finanziell besserstellen. Hat sich der Schuldner an die Vorgaben gehalten, ist er am Ende des Verfahrens schuldenfrei und kann mit einer schwarzen Null auf dem Konto einen Neustart wagen.
Schufa-Eintrag
Doch selbst eine schuldenfreie Person kann Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder dem Abschluss eines Mobilfunkvertrags haben. Auskunfteien wie die Schufa dürfen drei weitere Jahre lang speichern, dass einer Person Schulden erlassen wurden. Das hat sich nicht geändert.
Anlaufstellen
Für Angestellte, Rentner, Arbeitslose und viele ehemals Selbstständige ist Rat kostenlos. Schuldnerberatungsstellen gibt es beispielsweise von Städten, Verbraucherzentralen und Wohlfahrtsorganisationen wie Diakonie und Arbeiterwohlfahrt. Sie sollte im jeweiligen Bundesland anerkannt sein. Sie finden eine Übersicht der Schuldnerberatungsstellen in Ihrer Nähe auf der Webseite des örtlichen Regierungspräsidiums und auf der Webseite vz-schuldnerberatung.de. Die Wartezeit kann mehrere Wochen bis Monate betragen.
Für Selbstständige gibt es weniger kostenfreie Angebote. Viele Industrie- und Handelskammern haben für ihre Mitglieder eine Insolvenzsprechstunde. Die Beratung durch einen Fachanwalt für Insolvenzrecht ist nicht kostenfrei, dafür bekommt man in der Regel schnell einen Termin und wird durch das gesamte Verfahren begleitet.