Auch in der ersten April-Woche hat sich die steile Bergfahrt an der Börse fortgesetzt. Gleich am ersten Handelstag nach Ostern kletterte der Deutsche Aktienindex Dax auf ein neues Rekordhoch von 15 311 Zählern. Das entspricht einem Plus von 85 Prozent in knapp 13 Monaten – während der katastrophalen Corona-Pandemie. Kein Wunder, dass es nicht wenigen leicht schwindelig wird. Dazu gehört Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB). „Im Euro-Raum sind die hohen Aktienbewertungen noch durch höhere Gewinnerwartungen begründet“, sagt sie dem „Spiegel“. „Aber die Risiken einer Korrektur steigen, vor allem wenn die wirtschaftliche Erholung den Erwartungen nicht gerecht werden sollte.
Dabei gehört die Notenbank wie die Zentralbanken in den USA und in Japan zu denjenigen, die die Hausse an den Börsen mit ihrer Niedrigzinspolitik und ihren billionenschweren Corona-Krisenprogrammen seit Jahren stützen. Das macht Sparanlagen und selbst solide Bundesanleihen völlig unattraktiv. Tagesgeldkonten bieten faktisch keine Zinsen mehr, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist weiter negativ. Von höheren Leitzinsen ist weit und breit nichts zu sehen. Volkswirte erwarten Zinsschritte nach oben frühestens in zwei Jahren oder noch später.
Verlockend sind auch die Dividenden, die die 160 größten an der Börse gelisteten deutschen Unternehmen auch für 2020 zahlen. Es sind fast 45 Milliarden Euro, die sie ausschütten. An der Börse rechnet man zudem fest mit einem deutlich höheren Impftempo und deshalb bald mit einem weitgehenden Ende der Pandemie, zumindest in den Industrieländern. Die katastrophale Lage im einst hochgelobten Schwellenland Brasilien spielt am Aktienmarkt derzeit ebenso wenig eine Rolle wie die Gefahr neuer Mutationen. Im Gegenteil. Am Freitag setzte sich der Dax über der stolzen Marke von 15 200 Punkten fest. Und die Prognosen werden erhöht. „Gegenwärtig erwarten wir auf zwölf Monate ein Niveau von 15 300 Punkten“, sagt Dekabank-Chef-Volkswirt Ulrich Kater. „Und das könnte nicht die letzte Aufwärtsrevision gewesen sein.“ Geradezu euphorisch gibt sich Wieland Staud vom gleichnamigen Analysehaus. Er schaut sich die historische Entwicklung der Börsenkurse an und zieht daraus seine Schlüsse. Trotz Pandemie sieht er am Aktienmarkt den Aufbruch in eine neue Ära. Die Märkte feierten eine der wildesten Partys der vergangenen Jahrzehnte, schreibt er in seiner jüngsten Analyse. Er setzt das Dax-Ziel auf satte 16 800 Punkte.
ROLF OBERTREIS