Wie aus Wünschen Ziele werden

von Redaktion

Nicht mehr rauchen, abnehmen und mehr Sport machen: Das sind die klassischen Vorsätze fürs neue Jahr. Sich endlich mehr um die eigenen Finanzen kümmern gehört eher nicht dazu. Warum das so ist, was sich die meisten Menschen wünschen und woran sie scheitern, besprachen wir mit der unabhängigen Finanzberaterin Stefanie Kühn, die zusammen mit ihrem Mann, Rechtsanwalt Markus Kühn, soeben ein Buch zum Thema verfasst hat („Ihr Start in die finanzielle Freiheit“).

Über Geld spricht man nicht. Das lernen wir schon als Kinder. Warum eigentlich?

Das ist ein spezielles, deutsches Phänomen, das sich von Generation zu Generation fortsetzt. Das hat auch viel mit Neid zu tun. In Nordeuropa gibt es eine andere Kultur, da wird sogar veröffentlicht, was Leute verdienen – bei uns undenkbar. Schon als junger Mensch tut man sich bei uns schwer, mit seinen Kollegen über Geld zu sprechen. Daher rührt auch viel von der Ungleichheit, die da oft herrscht, zum Beispiel beim Einkommen von Männern und Frauen. Wenn da Klarheit herrschen würde, wären die Unterschiede nicht so leicht aufrechtzuerhalten.

Dieses Nicht-Sprechen hat aber auch noch andere Auswirkungen.

Ja, worüber man nicht spricht, hat man auch nicht so präsent. Welches Auto man sich kauft, das wird ausführlich diskutiert. Auf welche Altersvorsorge man setzen will, nicht.

Was man ebenfalls meist schon im Kindesalter lernt, ist die Lust am Konsum. Dinge besitzen zu wollen treibt nicht zuletzt unsere Wirtschaft an. Sie unterscheiden zwischen klugem und nicht so klugem Konsum. Was ist das jeweils?

Es gibt natürlich die Dinge, die man für seinen täglichen Bedarf konsumieren muss, Lebensmittel zum Beispiel. Und es gibt Dinge, die einen weiterbringen, etwa ein Sprachkurs, auch ein eher kluger Konsum. Viele Kinder lernen aber auch, dass für sie nur Markenklamotten zählen und sie ihr ganzes Geld dafür ausgeben. Und das ist definitiv kein kluger Konsum. Da sind Eltern gefordert, die ihren Kindern vermitteln können, dass man manche Sache auch gebraucht kaufen kann. Wenn man so etwas nicht als Kind lernt, tut man sich als Erwachsener schwer. Sich verschulden wegen einer Konsum-Anschaffung, das geht in meinen Augen gar nicht. Ein dickes Auto zum Beispiel verliert ab dem ersten Tag an Wert. Anders ist es mit einer Eigentumswohnung oder einem Haus. Die schaffen einen Wert, dafür kann man auch Schulden machen.

Sie empfehlen, aus Wünschen Ziele zu machen. Was ist der Unterschied?

Ein Wunsch ist oft etwas rein Abstraktes. Wenn man als kleines Mädchen Prinzessin werden will zum Beispiel. Daraus ein Ziel zu machen ist schwierig. Anders ist das mit dem Wunsch nach einem eigenen Haus. Wenn man das konkretisiert, für sich Fragen klärt wie, wann genau will ich das erreicht haben? Und was muss ich dafür tun? Dann wird aus einem Wunsch ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann.

Wenn ich etwas zu meinem Ziel mache, rückt es also näher?

Ja, vor allem wenn Sie einen Fahrplan entwickeln. Dafür sollten die Leute mehr Zeit verwenden und sich klarmachen, welche Schritte unternommen werden müssen, um an das Ziel zu gelangen. Dazu gehört, dass man sich in regelmäßigen Etappen kontrolliert, schaut, wie weit man gekommen ist oder ob man etwas sportlicher werden muss oder mutiger.

Vielen fällt es schon schwer, überhaupt loszugehen. Denn es ist fast immer mit Veränderungen im Leben verbunden, sei es, dass man mehr arbeiten muss oder mehr sparen oder seine Gewohnheiten ändern. Sind die Leute Ihrer Erfahrung nach dazu bereit?

Wenn jemand wirklich sein Ziel identifiziert hat, dann ist er auch bereit. Ansonsten merkt man an dieser Stelle, dass das Ziel vielleicht doch nicht das eigene war, dass es nur gewählt wurde, weil es schick ist oder andere es gut fänden. Das ist dann auch nicht schlecht, es ist ein Prüfstein für die Ernsthaftigkeit des Ziels.

Was wünschen sich die meisten Menschen?

Ein Ziel, das erschreckend viele Menschen gemeinsam haben, ist das, so früh wie möglich mit der Arbeit aufzuhören. Erschreckend deshalb, weil das ja bedeutet, dass die Leute unglücklich sind in ihren Jobs und über Jahre etwas machen, was ihnen gar keinen Spaß macht. Das ist dann oft der Punkt, wo man sich fragen sollte, ob es reicht, vorzeitig in Ruhestand zu gehen. Die Diagnose lautet ja: Ich bin mit meinem Job nicht zufrieden. Dann könnte man ja auch jetzt sofort etwas unternehmen. Zum Beispiel eine Arbeit suchen, die einen mehr erfüllt. Es ist auch die Frage, ob es das wirklich wert ist, wenn sich jemand total verausgabt und total einschränkt, nur um am Ende ein, zwei Jahre früher in Rente gehen zu können. Man kann sich ja schon auch vorher kaputtmachen.

Was noch? Vorzeitiger Ruhestand kann ja nicht der einzige Wunsch sein.

Nein. Ein eigenes Haus steht bei vielen ganz oben auf der Wunschliste. Doch dieser Wunsch bringt gerade in unserer Gegend, in München und dem Umland, die Leute zum Verzweifeln, gerade die jungen. Ohne Erbschaft hat man wegen der hohen Preise hier kaum eine Chance, Eigentum zu erwerben.

Wie realistisch sind die Wünsche?

Die meisten haben eine recht gute Vorstellung davon, was sie sich leisten können. Ihnen fehlt nur die Sicherheit, die sie bekommen, wenn das jemand mit ihnen durchrechnet.

Manche werden sagen, ich habe am Ende des Monats nichts übrig, was ich sparen könnte. Was sollen die machen?

Dann würde ich empfehlen, noch einmal die Ausgaben zu analysieren. Fast immer findet man Sparpotenzial.

Wo denn am ehesten?

Sehr oft bei den Versicherungen. Da sind oft völlig überflüssige dabei. Alles, was man braucht, sind eine private Haftpflichtversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung, als Familie noch eine Risikolebensversicherung. Man findet aber auch fast immer etwas beim Konsum. Klamotteneinkäufe zum Beispiel. Man hat ja schon den Schrank voll Sachen, sodass man sich da leicht einschränken kann, ohne dass die Leute denken, man sei verarmt.

Viele Leute haben sich noch nie ernsthaft und im Detail mit ihren Finanzen befasst. Wie fängt man da am besten an?

Ich rate zu einem Kassensturz. Alle Unterlagen zusammensammeln und ordnen. Was für Anwartschaften – zum Beispiel von der Rente – habe ich? Eine Lebensversicherung? Habe ich eine Notfallreserve? Alle Karten auf den Tisch und schauen, was ist da überhaupt alles? Wer das gemacht hat, ist schon auf dem Weg.

Wie geht man mit Risiken um?

Man muss sich die wichtigsten „Was wäre, wenn-Fragen“ stellen, also: Was ist, wenn ich nicht mehr arbeiten kann? Zum Pflegefall werde? Arbeitslos wäre? Da muss man durch, noch vor dem Vermögensaufbau – ohne deshalb gleich überängstlich zu werden. Ich finde es zum Beispiel legitim, es als Bonus zu werten, wenn die Eltern vermögend sind und einem immer helfen würden.

Ist das Sicherheitsbedürfnis hierzulande zu stark ausgeprägt?

Manchmal schon. Ich hatte zum Beispiel einen Kunden, der wollte eine Pflegeversicherung abschließen. Er war 78. Ich habe ihn gefragt, wie viel er denn noch braucht, um die Pflege bezahlen zu können. Er sagte „nichts“. Und ich: „Ja, warum wollen Sie denn dann eine Pflegeversicherung?“ Er war ein Opfer des Geschäfts mit der Angst, das viele betreiben.

Viele gute Pläne, die rund um den Jahreswechsel geschmiedet werden, scheitern am Durchhaltevermögen. Wie bleibt man bei der Stange?

Das ist bei Finanzdingen oft gar nicht so schwer. Wenn man einen ETF-Sparplan einmal eingerichtet hat, läuft der ohne Zutun weiter. Die Sparrate wird abgebucht, fertig. Ihn zu stoppen, wäre eher ein Aufwand. Also ein guter Start. Wenn jemand aber wirklich wieder in alte Konsummuster verfällt und das Sparen sein lässt, muss man noch mal von vorne anfangen und nach der Motivation fragen.

Was steckt dahinter?

Oft ein Mangel an Selbstwertgefühl. Der Gedanke, dass man das dicke Auto und die neuen Klamotten für sein Selbstbewusstsein braucht. Oder Konsum als Belohnung sieht.

Was kann man dann tun?

Man kann von Anfang an versuchen, sich vor sich selbst zu schützen. Also: Die Notfallreserve liegt nicht auf dem Girokonto. Das Geld für den Urlaub hat man noch mal auf einem anderen Tagesgeldkonto. Am besten macht man mehrere Tagesgeldkonten für verschiedene Zwecke auf, kostet ja nichts. Und am besten, man vergisst dann das ein oder andere. Dann hat man nicht das Gefühl, reich zu sein und wird nicht übermütig.

Ein Kapitel in Ihrem Buch heißt „Genug Geld, statt möglichst viel Geld“. Was ist falsch an möglichst viel Geld?

Da ist nichts falsch dran. Ich würde nur einen anderen Fokus wählen. Man muss nicht mehr Geld haben, als man für seine Ziele braucht. Wer schon gut in die Rentenkasse einbezahlt hat, vorgesorgt hat, womöglich später mal etwas erbt, der kann sich überlegen, ob es ihm nicht wichtiger ist, mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen als Vollzeit bis zur Rente im Job zu bleiben. Vor allem wenn man in dem Job eher nicht so glücklich ist. Das machen ja auch viele. Paare, die jeweils ihre Arbeitsstunden reduzieren, um für die Familie dazusein. Die verzichten ja auf „möglichst viel Geld“, Ihnen reicht „genug Geld“. Wahrscheinlich sind sie glücklicher. Man muss eine Balance zwischen dem Hier und Heute und später finden.

Interview: Corinna Maier

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