Der Umgang mit Wildunfällen

von Redaktion

VON MAIK HEITMANN UND CHRISTIAN VORDEMANN

Die deutschen Versicherer raten Autofahrern, in den kommenden Wochen besonders auf Wildtiere zu achten. Rein rechnerisch kollidiere alle zwei Minuten ein kaskoversicherter Pkw mit einem Wildtier. „Allerdings ist die Gefahr eines Wildunfalls übers Jahr ungleich verteilt: Besonders hoch ist das Risiko in den Monaten April und Mai und von Oktober bis Dezember“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Im Jahr 2020 kostete jeder Unfall die Versicherer durchschnittlich über 3100 Euro. Das waren rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt zahlten die Versicherer für 272 000 Wildunfälle 853 Millionen Euro.

Unfälle vermeiden

Generell gilt: runter vom Gas. Je geringer das Tempo, desto seltener kommt es zu einem Wildunfall. Die Versicherer raten Autofahrern, die Warnschilder vor Wildwechsel zu beachten und ihre Fahrweise entsprechend anzupassen. Vor allem am Rand von Wiesen, Feldern und Wäldern sollte speziell in der Dämmerung die Geschwindigkeit verringert werden. Die Straßenränder muss der Fahrer aufmerksam beobachten, und zwar links und rechts des Weges. Wenn Wild auf der Straße oder am Straßenrand auftaucht, sollten Autofahrer – sofern genutzt – das Fernlicht abblenden und langsam fahren. Oft folgen nach einem Reh oder Wildschwein weitere Tiere.

Wie reagieren?

„Bitte keine riskanten Ausweichmanöver“, warnt Käfer-Rohrbach vom GDV. Gegen ein anderes Auto oder einen Baum zu prallen, ist viel gefährlicher.

Kompliziert kann es werden, wenn einem Wildtier ausgewichen wird. Dann ist zu beweisen, dass wirklich ein Tier „schuld“ war. Hilfreich sind Zeugen. Wer einem kleinen Wildtier (etwa einem Kaninchen) ausweicht und einen Unfall erleidet, der muss mit einer Mitschuld rechnen. Das Überfahren eines Marders oder Hasen richtet, wenn überhaupt, geringeren Schaden am Wagen an als die Kollision mit größeren Tieren, etwa einem Reh. Der Aufprall eines 100 Kilo schweren Wildschweins oder Hirschen hat oft verheerende Folgen bis hin zum Totalschaden. Auch können solche Unfälle auch für den Menschen tödlich enden.

Ausweichen oder überfahren? Bei dieser Frage wägen Gerichte ab, ob der Schaden geringer ausgefallen wäre, wenn „draufgehalten“ worden wäre. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die (Teil-)Kaskoversicherung nicht zahlen muss, wenn nachts einem Fuchs ausgewichen wird, der plötzlich auftaucht, und die Fahrt im Graben endet (Aktenzeichen: IV ZR 276/02).

Das Landgericht Coburg sieht das – versicherungstechnisch – ebenso für ein Eichhörnchen. In dem konkreten Fall geriet eine Autofahrerin ins Schleudern, nachdem ihr ein Tier unter den Vorderreifen geraten war – und die DNA-Analyse der am Unfallort sichergestellten Tierhaare ergab, dass ein Eichhörnchen das Opfer war (Aktenzeichen: 23 O 256/09).

Verhalten danach

Nach einem Wildunfall ist es wichtig, schnell und überlegt zu handeln.

. Am wichtigsten ist es, zuerst und sofort die Unfallstelle zu sichern. Das heißt: Warnblinklicht einschalten, Warndreieck aufstellen.

.  Ein verletztes oder getötetes Tier möglichst nicht anfassen. Das Bergen des Tieres ist Aufgabe des Försters oder Jagdpächters.

. Die Polizei benachrichtigen. Diese informiert den örtlichen Revierjäger.

. Fotos vom Unfallort, vom Tier und vom Fahrzeug machen. Das ist hilfreich für eine schnelle Schadensbearbeitung.

. Eine Wildunfallbescheinigung von Polizei, Förster oder Jagdpächter ausstellen lassen.

. Den Versicherer anrufen, bevor die Wildspuren beseitigt sind oder das Fahrzeug repariert, verschrottet oder verkauft wird.

Kaskoversicherung

Der Schaden am Auto, der durch einen Wildunfall entsteht, wird durch die Voll- oder Teilkaskoversicherung beglichen. Wer nur eine Haftpflicht-Versicherung besitzt, der bleibt auf seinen Kosten sitzen. Doch auch in Kaskoversicherungen ist nicht immer garantiert, dass ein Wildunfall reguliert wird. Einige Versicherer leisten beispielsweise nur bei Unfällen mit Haarwild. Ein Zusammenstoß mit einem Fasan oder einer Kuh wäre dann nicht versichert. Besser ist es daher, wenn im Vertrag steht, dass die Versicherung Unfälle mit allen Tieren oder zumindest mit allen Wirbeltieren abdeckt. Auch stehende Autos können einen Wildschaden haben, etwa wenn der Marder Kabel zerbeißt. Das wird im Regelfall von der Teilkaskoversicherung reguliert.

Schadenfreiheitsrabatt

Auf den persönlichen Schadenfreiheitsrabatt hat ein Wildschaden im Übrigen keinen Einfluss.

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