„Es tobt der Bär“, sagen Händler in diesen Tagen hinter ihren Monitoren auf dem Parkett der Frankfurter Börse. Lieber wäre ihnen der Bulle, denn der steht an der Börse im Gegensatz zum Bären für steigende Kurse. Aber davon kann in diesen Tagen und Wochen keine Rede sein. Dafür fehlen jegliche positiven Impulse für das Geschehen am Aktienmarkt.
In der abgelaufenen Woche setzte sich der Deutsche Aktienindex Dax deutlich unter der Marke von 13 000 Zähler fest, bevor er sich zum Wochenschluss erholte. Aber seit Jahresanfang liegt er weiter mit gut 19 Prozent im Minus.
Die Hoffnung vieler Börsianer ruht auf den Quartalsberichten, die in diesen Tagen vorgelegt werden. Hierzulande startet SAP am Donnerstag. Aber erst einmal gab es lange Gesichter. Die ersten US-Großbanken schnitten im zweiten Quartal deutlicher schwächer ab als erwartet. Wobei ein Netto-Überschuss von 8,6 Milliarden Dollar bei J. P. Morgan alles andere als bescheiden aussieht. Schließlich ist er vier Mal so hoch wie der Gewinn der Deutschen Bank – im gesamten Jahr 2021. Aber der Überschuss der US-Investmentbank liegt eben 28 Prozent unter dem des Vorjahresquartals. Und Analysten glauben, dass das Institut nicht ausreichend Vorsorge für schlechtere wirtschaftliche Zeiten und damit für Kreditausfälle getroffen hat. Dazu kommt, dass der russische Überfall auf die Ukraine die USA weniger stark trifft als Europa.
Neben den Folgen des Krieges, einem möglichen Stopp russischer Gaslieferungen, einer Regierungskrise in Italien, einer Schwäche der Konjunktur bis hin zur Rezession, dem schwachen Euro, der erstmals seit Jahren wieder auf den Gleichstand zum Dollar abgerutscht ist, sorgen sich auch die Börsianer wegen der hohen Inflation. Eine Folge: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird am Donnerstag zum ersten Mal seit elf Jahren wieder einmal die Zinsen erhöhen, wenn auch mit 0,25 Punkten moderat. Der Leitzins steigt auf 0,25 Prozent. Weitere Anhebungen werden folgen. Steigende Zinsen sind prinzipiell Gift für den Aktienmarkt.
Die Unsicherheit auf dem Börsenparkett bleibt hoch. An den Aktienmärkten dominiere eine abwartende Haltung, sagt Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der DekaBank. „Erst wenn die wirtschaftlichen Belastungen aus der Energieknappheit zu verlässiger eingeschätzt werden können, wird es an den Börsen neue Impulse geben.“ Eher warnend den Finger hebt Robert Greil vom Münchner Bankhaus Merck Finck. „Anleger sollten sich angesichts der EZB-Sitzung, der Regierungskrise in Italien und dem geplanten Ende der Nordstream 1-Wartung gut festschnallen – egal ob ab Freitag wieder Gas durch Europas wichtigste Pipeline fließt oder nicht.“ ROLF OBERTREIS