„Klimaneutral.“ Immer mehr Hersteller schreiben diesen Satz auf ihre Produkte. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Siegel? 43 Prozent der Deutschen glauben laut Foodwatch, dass Unternehmen, die mit solchen Siegeln werben, ihre eigenen CO2-Emissionen senken. Doch das stimmt oft nicht, meistens geht es um einen CO2-Ausgleich, warnen die Verbraucherschützer. Die EU-Kommission will die zweifelhafte Werbung nun eindämmen.
Was bedeutet die Bezeichnung „klimaneutral“?
„Aussagen wie klimaneutral oder gar klimapositiv auf Produkten sind vor allem cleveres Marketing“, erklärt die Verbraucherzentrale. „Denn tatsächlich bedeutet klimaneutral, dass für das in Frage stehende Produkt eine CO2-Bilanz erstellt und zum Ausgleich Minderungszertifikate aus weltweiten Klimaschutzprojekten gekauft wurden.“ Ziel sei es, Ländern und Firmen aus Industrieländern die Finanzierung von Klimaschutzprojekten zu ermöglichen, um Emissionen auszugleichen, die sie selbst noch nicht verringern können. Dafür wird die Menge an CO2-Einsparungen, die ein Klimaschutzprojekt vermeintlich bewirkt hat, in einer Datenbank festgehalten. Unternehmen, die die Treibhausgasbilanz ihrer Produkte kompensieren wollen, kaufen in entsprechender Menge Zertifikate, die dann aus der Datenbank gelöscht werden. „Praktisch trägt der Handel mit CO2-Zertifikaten in den meisten Fällen jedoch nicht zum Klimaschutz bei“, kritisiert die Verbraucherschutzorganisation.
Warum funktioniert der CO2-Ausgleich nicht?
Die Verbraucherzentrale sieht beim CO2-Ausgleich mehrere Probleme. Der Ausgleich beruhe oft auf fragwürdigen Berechnungen. „Bei der Kompensation wird so getan, als könnten CO2-Emissionen westlicher Unternehmen eins zu eins mit CO2-Einsparungen aus Klimaschutzprojekten verrechnet werden“, so die Organisation. Dafür würden fiktive Was-wäre-wenn-Szenarien erstellt, deren Annahmen unrealistisch und oft nicht überprüfbar seien. „Zum Beispiel wird bei der Aufforstung von Wäldern angenommen, dass die Wälder dauerhaft stehen bleiben, sie können jedoch abbrennen oder abgeholzt werden.“ Außerdem sind die bisherigen Berechnungen oft intransparent und nicht nachzuvollziehen. Zudem setze der CO2-Ausgleich falsche Anreize. Statt den Ausstoß zu vermeiden, gebe der CO2-Zertifikatehandel den Unternehmen Anreize, ganz oder größtenteils auf CO2-Ausgleich zu setzen. Foodwatch spricht hier sogar von einem „modernen Ablasshandel“.
Was plant nun die EU?
Künftig sollen Unternehmen ihre Produkte nur mit Aussagen wie „klimaneutral“ bewerben dürfen, wenn diese wissenschaftlich belegbar sind, wie aus einem vorgestellten Gesetzentwurf hervorgeht. Die zugrunde liegenden Daten sollen demnach für Verbraucher offen einsehbar sein. Unternehmen in allen EU-Ländern sollen einheitlichen Regeln unterliegen. Angaben etwa zur Klimabilanz oder zum Anteil an recycelten Materialien „müssen von unabhängiger Seite überprüft und mit wissenschaftlichen Daten belegt werden“, erklärte die Kommission. Derzeit gebe es mindestens 230 verschiedene Kennzeichnungen – das führe zu Verwirrung und Misstrauen bei den Verbrauchern, hieß es. Alle neuen privaten Siegel müssten höhere Umweltziele als bisher vorweisen. Der Gesetzesentwurf muss nun im Rat und Europäischen Parlament gebilligt werden und kann anschließend in den Mitgliedsstaaten in Kraft treten. Verbraucherorganisationen begrüßen den Vorstoß. Denn: „Irreführende Behauptungen wie ,klimapositiv‘ müssen grundsätzlich verboten werden“, erklärte etwa Foodwatch.