Bei vielen Verbrauchern liegt im Sommer die Nebenkostenabrechnung für das vergangene Jahr im Briefkasten. Nach den Energiepreissteigerungen im Winter kann das ein Schock sein. Wie man die Aufstellung prüft und was helfen kann, wenn eine hohe Nachzahlung ansteht.
Die Nebenkosten- abrechnung ist da – und enthält eine hohe Nachforderung. Was tun?
Zunächst einmal: durchatmen und rechnen. Denn nur weil eine Nachforderung auf den Papier steht, heißt es nicht automatisch, dass sie – überhaupt oder in der Höhe – gerechtfertigt ist. So ergab beispielsweise eine Untersuchung des Energie-Marktwächter-Projekts der Verbraucherzentralen: Rund jede zweite Abrechnung enthält Fehler. Das können inhaltliche Fehler sein, etwa wenn falsch gerechnet wurde oder falsche Basisdaten etwa zur Wohnungsgröße verwendet wurden. Oder Formfehler, etwa wenn die Abrechnung zu spät kommt oder Umlage- oder Verteilerschlüssel fehlen.
Wie lassen sich inhaltliche Fehler erkennen?
Nebenkosten beziehungsweise Betriebskosten müssen im Mietvertrag vereinbart sein. Das sind beispielsweise die Kosten für Heizung, Wasser, Gebäudereinigung und Müllabfuhr. Beim Prüfen der Nebenkostenabrechnung hilft es, den groben Aufbau zu kennen. In der Regel besteht sie aus zwei Teilen: Im ersten Teil werden die Gesamtkosten für das Haus angegeben, im zweiten Teil sind diese Kosten aufgeschlüsselt für die eigene Wohnung. Bei einem Verdacht, dass etwas fehlerhaft ist, lassen sich im ersten Schritt die Werte mit denen vom vorherigen Jahr vergleichen. Ist der Verbrauch ähnlich? Oder sind einzelne Werte deutlich gestiegen, ohne dass es dafür einen offensichtlichen Grund gibt? Wer frisch eingezogen ist, kann womöglich Nachbarn darum bitten, einen Blick in den gebäudebezogenen Teil der letzten Jahresabrechnung werfen zu dürfen. Im zweiten Teil geht es dann darum, einerseits zu prüfen, ob die eigenen Verbrauchswerte korrekt aus der Ablesung übernommen wurden. Andererseits muss auch die Verteilung richtig sein. Bei der Prüfung hilft auch der Mietvertrag weiter: Dort stehen unter anderem die Wohnungsgröße in Quadratmetern und manchmal auch die vereinbarten Umlage- oder Verteilerschlüssel, die in der Nebenkostenabrechnung verwendet werden müssen. Die Gesamtwerte für Quadratmeter, Verbrauch und so weiter müssen in der Abrechnung angegeben sein. Die Abrechnung muss also aus sich heraus verständlich sein. Sind alle Werte plausibel und mit den Vorjahresverbräuchen abgeglichen, heißt es: rechnen. Denn auch wenn die meisten Vermieter und Hausverwaltungen das Rechnen mittlerweile einer Software überlassen, passieren Fehler, deren Reklamation Geld sparen kann.
Was sind häufige Fehler?
„Viele Vermieter versuchen, Betriebskosten auf die Mieter umzulegen, die nicht im Mietvertrag vereinbart sind“, sagt Anja Franz vom Mieterverein München. Im Mietvertrag müsse vereinbart sein, dass Betriebskosten überhaupt abgerechnet werden können – im Gegensatz zur Pauschale, bei der die Betriebskosten in der Miete enthalten sind. Zudem müssen alle abzurechnenden Betriebskosten genau im Mietvertrag aufgeführt werden. Auch verspätete Abrechnungen seien häufig. Der Vermieter hat nach Ende der Abrechnungsperiode zwölf Monate Zeit, die Nebenkosten abzurechnen. Hält er diese Frist nicht ein, muss der Mieter nicht nachzahlen. Ein weiterer beliebter Fehler: „Häufig verwenden die Vermieter einen falschen, im Mietvertrag nicht vereinbarten Abrechnungsschlüssel“, sagt Franz.
Was ist mit Kosten, die sich nicht nach- vollziehen lassen?
Mieter dürfen beim Vermieter beziehungsweise bei der Hausverwaltung Einblick in die Unterlagen verlangen. Das kann ein aufwendigeres Prozedere sein, denn eine Verpflichtung, die Unterlagen per Mail zu senden, gibt es nicht. In die Einsichtnahme sollte man daher gut vorbereitet gehen mit einer Liste der abzugleichenden Punkte und den eigenen Unterlagen. Auch Fotos von den Dokumenten zu machen ist erlaubt und empfehlenswert, um später darauf zurückgreifen zu können.
Wann sollte man Widerspruch einlegen?
Enthält die Nebenkostenabrechnung klärungsbedürftige Angaben, unschlüssige Zahlen oder falsche Rechnungen oder stimmen Formalia nicht, heißt es: Widerspruch einlegen. Dabei haben Mieter ebenfalls eine Frist nämlich zeölf Monate nach Erhalt der Abrechnung. Die Verbraucherzentralen haben dafür einen Musterbrief erstellt, der sich an die eigenen Bedürfnisse anpassen lässt. Mieter sollten darüber hinaus darauf achten, nachweisen zu können, dass der Vermieter das Schreiben erhalten hat – und am besten nicht zwölf Monate mit dem Widerspruch warten. Denn die Zahlungsfrist liegt bei 30 Tagen. Wer unter Hinweis auf einen am Ende unbegründeten Widerspruch nicht zahlt, verliert im schlimmsten Fall die Wohnung. Die Zahlung sollte aber bei Zweifeln an der Abrechnung ausdrücklich unter Vorbehalt der Rückforderung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgen.
Was, wenn alles stimmt, aber die Nachforderung das Budget sprengt?
Betroffene sollten schnell prüfen, ob sie Anspruch auf staatliche Hilfen haben. Erwerbsfähige können gegebenenfalls für einen Monat Bürgergeld beantragen. Studierende können ein Darlehen erhalten, wenn eine Strom- oder Gassperre droht, und Rentner oder Menschen mit Erwerbsminderung können sich an das Sozialamt wenden. Ob es Hilfen gibt, ist aber an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, etwa Vermögensobergrenzen. Und seit Januar gibt es den Wohnkostenzuschuss „Wohngeld Plus“, der Menschen angesichts der gestiegenen Energiepreise helfen soll. Das zuständige Bundesministerium bietet einen Rechner an, mit dem sich einschätzen lässt, ob man für einen Wohngeldbezug berechtigt ist. Wer keinen Anspruch auf Hilfen hat, kann sich an den Vermieter beziehungsweise die Hausverwaltung wenden, um etwa Ratenzahlung zu vereinbaren. Verpflichtet sind Vermieter dazu aber nicht.
Wer hilft, wenn eine Beratung nötig ist?
„Der Beratungsbedarf für die Heizkostenabrechnungen ist auf jeden Fall gestiegen“, sagt Franz mit Blick auf die gestiegenen Energiepreise. Doch auch ganz grundsätzlich gilt: Nebenkostenabrechnungen sind komplex. Es gibt immer wieder neue Urteile, die eine Gesetzeslage konkretisieren und Auswirkungen auf die Abrechnung oder den Umgang damit haben. Es lohnt sich daher, bei Zweifeln an der Richtigkeit Experten einzuschalten. „Regelmäßig sind Nebenkostenabrechnungen so kompliziert aufgebaut, dass sie den Mitgliedern erst erklärt werden müssen, um überhaupt verstanden zu werden“, sagt Christoph Albrecht, Rechtsanwalt für Mietrecht und Sprecher des Berliner Mietervereins. Wer Mitglied in einer Mieterschutzorganisation wie dem Mieterbund oder der Mietergemeinschaft ist, erhält hier kostenlose Rechtsberatung. Kostenpflichtige Beratungen bieten auch die regionalen Verbraucherzentralen an. Kosten und Dauer unterscheiden sich je nach Region, liegen aber üblicherweise im zweistelligen Bereich.