Das Trennungsjahr vor der Scheidung

von Redaktion

VON MAIK HEITMANN

Das Trennungsjahr ist die rechtliche Voraussetzung dafür, damit ein Gericht die Scheidung einer Ehe aussprechen kann. Konkret bedeutet das: Ehepaare müssen mindestens ein Jahr getrennt leben, erst dann gilt die Ehe als gescheitert. Erst nach diesem Trennungsjahr kann das Paar die Scheidung beantragen. In der Praxis kann eine Trennung aber komplizierter sein als gedacht: Was, wenn der Partner oder die Partnerin nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen will?

Eigener Bereich in der Wohnung

Jeder der Eheleute benötigt bei einer Trennung einen eigenen Bereich. Gemeinsames Waschen von Wäsche, Erledigen gemeinsamer Einkäufe, gemeinsames Kochen und Essen sind tabu. Insbesondere müssen auch die Kosten klar getrennt werden. Dies ist im wahren Leben schwer durchzuhalten. Daher bringt das „Wohnen unter einem Dach“ das Risiko, dass der Trennungszeitpunkt nicht klar zu definieren ist. Unter Umständen kann deswegen sogar der Scheidungsantrag zurückgewiesen werden, weil das Trennungsjahr nicht eingehalten wurde.

Antrag auf „Zuweisung der Ehewohnung“

Immer wieder scheitert die Trennung auch daran, dass sich der trennungswillige Ehepartner nicht dazu entschließen kann, die gemeinsame Wohnung oder das Haus zu verlassen. Um diesem Dilemma zu entgehen, wird dann häufig versucht, den anderen Ehepartner loszuwerden, indem ein gerichtlicher Antrag auf „Zuweisung der Ehewohnung“ gestellt wird. Die eheliche Wohnung kann dann vom Gericht einem Ehepartner zur alleinigen Nutzung, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen, zugewiesen werden.

Das Gesetz sieht einen Anspruch auf Nutzungsüberlassung der Ehewohnung allerdings nur vor, soweit dies eine „unbillige Härte“ für die Ex-Partnerin oder den Ex-Partner oder für im Haushalt lebende Kinder abwenden kann. Der Begriff der unbilligen Härte ist nicht eindeutig.

Nach der Rechtsprechung zählt dazu beispielsweise, wenn ein neuer Lebenspartner in die Wohnung ziehen soll und dadurch eine „seelische Integritätsverletzung“ des oder der Ex verursacht wird. Weitere Beispiele für eine unbillige Härte sind körperliche Misshandlung, Alkohol- oder Drogenmissbrauch und weitere Formen häuslicher Gewalt sowie grob unbeherrschtes/unberechenbares Verhalten (Sachbeschädigung). Bei der Zuweisung der Ehewohnung handelt es sich um einen starken Eingriff, für den gravierende Gründe vorliegen müssen.

Gerichte setzt hohe Hürden

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hatte einen solchen Fall vorliegen: Ein Ehepaar, das sich scheiden lassen wollte, hatte keine gemeinsamen Kinder mehr auf dem großzügigen ehelichen Anwesen. Die Frau begründete ihren Antrag auf Zuweisung der Wohnung damit, dass sich ihr Ehemann trotz der Unterzeichnung einer schriftlichen Erklärung zum Getrenntleben nicht an die Einhaltung der vereinbarten räumlichen Trennung innerhalb des Hauses gehalten habe. Die Anwesenheit ihres Ehemannes sei für sie außerdem eine psychische Belastung. Das Gericht machte klar, dass hohe Voraussetzungen zu stellen sind, die über übliche Unannehmlichkeiten am Ende einer Ehe deutlich hinausgehen müssen – und lehnte den Antrag der Frau ab.

„Besondere Umstände“ müssen vorliegen

Das Gericht argumentierte, es müssen „besondere Umstände“ vorliegen. Diese müssten „einerseits die Interessen des anderen Ehepartners berücksichtigen und andererseits dessen Anwesenheit in der Wohnung für den Partner zu einer unerträglichen Belastung“ machen. Das sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Für das Gericht war nicht erkennbar, dass es für die Frau unzumutbar sei, innerhalb der Wohnung getrennt zu leben.

Es handele sich vielmehr um Unannehmlichkeiten und geringfügige Störungen, die während der Trennungszeit typisch seien. Die Frau habe während der Trennungszeit keinen Anspruch auf Privatsphäre in der gesamten Wohnung oder Kenntnis der Anwesenheitszeiten ihres Mannes. Das würde dem Charakter als gemeinsam genutzte Ehewohnung widersprechen.

Außerdem belehrten die Richter die Frau darüber, dass vor Ablauf des Trennungsjahres keine Verhältnisse geschaffen oder gefördert werden, „die den verbleibenden Chancen auf eine Versöhnung mehr als notwendig im Wege stehen“ (AZ: 2 UF 11/22).

Fazit: Der sicherste Weg, das Getrenntleben für eine spätere Scheidung zu belegen, ist der Auszug des trennungswilligen Ehepartners.

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