Um den deutschen Aktienmarkt ist es zur Zeit eher schlecht bestellt, der Dax 40 pendelt weiter um die 15 500 Punkte. Sind deutsche Aktien aus der Mode? Nicht ganz.
Im Oktober ist der Börsengang des 1774 in der deutschen Provinz gegründeten Sandalenherstellers Birkenstock geplant. Die Notierung erfolgt nicht an der langweiligen Deutschen Börse, sondern an der New York Stock Exchange, im Zentrum des Kapitalismus. Um zu verstehen, warum ausgerechnet Birkenstock dem Ideal des Kapitalismus recht nahe kommt, muss man in der Geschichte allerdings ein paar Jahrhunderte zurückgehen. Im Kapitalismus sind Unternehmen auf der Suche nach Gewinnmaximierung. Das Mittel der Wahl besteht darin, einerseits die Produktionskosten eines Gutes immer weiter zu senken und andererseits das Gut kulturell immer weiter aufzuladen, sodass Konsumenten es trotzdem für besonders wertvoll halten und einen immer höheren Preis zu bezahlen bereit sind. Nur so ist es möglich, seriell gefertigte Handtaschen, Tücher, Uhren etc. als Luxusgüter zu verkaufen. Massenware wird Luxus und als Beweis dafür reicht der hohe Verkaufspreis.
Zur kulturellen Aufladung zeigt sich eine berühmte Schauspielerin öffentlichkeitswirksam mit der Handtasche und schon wirkt die Handtasche selbst einzigartig. Im Geschäft an der Nobelmeile steht eine einzige solche Tasche einsam in einem großen sonst leerem Schaufenster. Diese Tasche muss es sein, die will man haben. Tatsächlich stapeln sich im Keller des Flag Stores hunderte identischer Taschen und im Container aus Asien sind schon hunderttausende als Nachschub unterwegs.
Immerhin erreichen Luxusgüterkonzerne wie LVMH und andere trotz hoher Werbe- und Marketingkosten eine Gewinnmarge von etwa 35 Prozent. Deutlich mehr, als die Hersteller normaler Gebrauchsgüter. Die Produktionskosten der Luxusgüter-Konzerne sind niedrig, die eigentlichen Kosten bestehen nur noch in der kulturellen Aufladung. An den Kapitalmärkten haben sich Luxusgüter damit als eigenes Segment abgekoppelt. Das war nicht immer so, eine Art Aufklärung machte den westlichen Konsumenten zunehmend deutlich, dass sie auf einen Schwindel hereinfallen.
Eine 1500 Euro Handtasche signalisiert nicht Einzigartigkeit und Zugehörigkeit zur Elite. Vielmehr offenbart die Handtasche die Naivität des Käufers auf die Marketingstory hereingefallen zu sein.
Die Luxusgüter-Industrie schlitterte in eine Krise. Gerettet wurde sie erst von Arabern und Chinesen als Powershopper von westlichen Luxusmarken und dann kamen auch noch die Influencer im Westen als neue scheinbar besonders authentische Werbeträger, denen die jungen Generationen kritiklos hinterherlaufen.
Die Luxusgüter-Konzerne gehören heute zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Das Unternehmen Birkenstock gilt für viele noch als biederes Unternehmen aus der Provinz. Tatsächlich ist Birkenstock längst in den Händen einer Private Equity Gesellschaft, die dem Unternehmen mit zunehmendem Erfolg ein Luxus-Image andichtet. Im aktuellen Kinohit entscheidet sich sogar Barbie gegen Pumps zugunsten von pinkfarbenen Birkenstock-Sandalen. Da sind die im Börsengang angestrebten acht Milliarden US-Dollar Unternehmensbewertung doch geschenkt. Die Aktien werde ich zwar nicht kaufen, aber vielleicht sollte ich meine Original Birkenstock-Sandalen – Jahrgang 1985 – bei So-theby’s versteigern lassen.