Die Überschwemmungen in Teilen Norddeutschlands haben eine seit Jahren schwelende Diskussion neu entfacht: Der Streit um die Einführung einer Versicherungspflicht für Hausbesitzer, um sich gegen Naturgewalten wie Hochwasser, Starkregen, Hagel oder Sturm zu schützen. Versicherer sprechen von „Elementarschäden“. Bisher können sich Hauseigentümer gegen Elementarschäden freiwillig versichern.
Worum geht es in der Debatte genau?
Die Debatte um die Einführung einer Pflichtversicherung ist über 20 Jahre alt. Nach der Flut im Ahrtal im Jahr 2021 mit über 100 Toten und zahlreichen zerstörten Gebäuden hatte die Diskussion an Fahrt aufgenommen. Denn wer keine Versicherung hat, verliert im schlimmsten Fall nach einer Naturkatastrophe sein komplettes Hab und Gut. Vergangene Woche war es Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der auf die rasche Einführung einer Pflichtversicherung drängte. In diesem Jahr müssten dafür „möglichst schnell klare Entscheidungen her“, sagte Weil. Es müsse jetzt „schneller“ zu einem Ergebnis mit dem Bund kommen. Niedersachsen war von den Überschwemmungen zwischen Weihnachten und Neujahr besonders betroffen.
Wie wahrscheinlich ist die Einführung einer Pflichtversicherung?
Das lässt sich schwer beurteilen. Bereits im vergangenen März hatten die Länder die Bundesregierung aufgefordert, „kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag“ für eine Pflichtversicherung vorzulegen. Allerdings wollte der Bund davon bisher wenig wissen: Mitte Dezember hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann auf der Ministerpräsidentenkonferenz einer möglichen Pflichtversicherung eine Absage erteilt. Im „Handelsblatt“ begründete der FDP-Politiker seine Ablehnung: „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht“, sagte Buschmann. Rechtlich möglich ist es laut Buschmann aber, dass die Bundesländer eigenständig eine Pflichtversicherung einführen. An dieser Position des Bundesjustizministers hat auch das jüngste Hochwasser nichts geändert: In der „FAZ“ bekräftigte Buschmann vergangene Woche seine ablehnende Haltung gegenüber einer Versicherungspflicht. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte sich bereits ähnlich positioniert.
Wer fordert neben den Ländern die Einführung einer Pflichtversicherung?
Der Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hatte 2021 gefordert, dass Elementarschadenversicherungen für alle Verbraucher erschwinglich verfügbar sein sollten. Als Vorbild nannte der Verband die Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. Auch der Bund der Versicherten will eine Pflicht, er befürwortet eine „Poollösung“: Die Bundesländer sollten zusammen mit der Versicherungswirtschaft einen Versicherungspool bereitstellen, der durch einen Zuschlag auf die Grundsteuer finanziert wird. Im Gegenzug für die höhere Grundsteuer erhalten die Hauseigentümer einen Basisschutz. Wer eine private Versicherung nachweisen kann, sollte nach dem Vorschlag des BdV von der Steuer befreit werden.
Welche Folgen hätte eine Versicherungspflicht für Mieter?
Grundsätzlich können Gebäudeeigentümer die Kosten einer Elementarschadenversicherung auf die Mieter umlegen. Im Falle einer möglichen Versicherungspflicht hängt es aber von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung ab, wie stark Mieter belastet werden. So hatten die Verbraucherzentralen explizit gefordert, Belastungen für Mieter bei einer Versicherungspflicht zu vermeiden.
Wie sinnvoll ist es für Hauseigentümer schon heute, freiwillig eine Elementarschadenversicherung abzuschließen?
Die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass zwei Fragen die Entscheidung erleichtern. Die erste Frage lautet: „Kann Ihr Hausrat durch eine Überschwemmung durch Starkregen, Hochwasser oder Rückstau aus der Kanalisation im Erd- oder Untergeschoss zu einem großen Teil vernichtet werden?“ Die zweite Frage lautet: „Können und wollen Sie sich dann aus eigenen Ersparnissen ohne große Probleme alles neu anschaffen?“ Wenn auf die Antwort auf die erste Frage „ja“ und auf die zweite Frage „nein“ lautet, sollten Eigentümer in ihrer Hausratversicherung eine Elementarschadensklausel aufnehmen lassen. Wie teuer eine Versicherung ist, hängt aber von der Gefährdungszone ab, in der das Gebäude steht („Zürs-Zone“) – in Zone 4, etwa in der Nähe von Flüssen, kann es schnell teuer werden.
Welche Pflichten haben Versicherte?
Im Schadensfall zahlt die Versicherung nur, wenn Eigentümer ihre Pflichten eingehalten haben, warnen die Verbraucherzentralen. So müssen beispielsweise in überflutungsgefährdeten Räumen Rückschlagklappen installiert sein. Und wurde die Hausratversicherung mit der Elementarschadenversicherung kombiniert, müssen Sachen im Kellerbereich in der Regel mindestens zwölf Zentimeter über dem Fußboden gelagert werden. Zudem müssen Fenster und Türen bei Unwettern verschlossen sein.