Die EZB-Sitzung diese Woche hat einmal mehr bewiesen, dass nicht nur Taten, sondern auch Worte die Kapitalmärkte beeinflussen. Wie erwartet hat der Zentralbankrat die Zinsen unverändert gelassen, sich selbst aber große Fortschritte beim Kampf gegen die Inflation attestiert. Diese Diagnose wurde untermauert von den neuen Projektionen des EZB-Stabs, die nicht nur eine Abwärtsrevision der Inflationsraten beinhalten, sondern nach denen auch die Kern-Inflationsrate im Jahr 2026 die neuralgische Zwei-Prozent-Marke erreichen dürfte. Damit wäre das Preisstabilitätsziel der EZB erfüllt und die Notwendigkeit für eine restriktive Geldpolitik nicht mehr gegeben. Der Weg für Zinssenkungen ist damit geebnet.
Jetzt stellt sich nur noch die Frage, ab wann und wie stark die Zinsen gesenkt werden. Zum „Wann“ hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde klare Hinweise geliefert mit der Feststellung, dass es bis zur nächsten Sitzung im April nur wenige neue Datenpunkte im Vergleich zum März gebe.
Nachdem auf der März-Sitzung nach Aussagen Lagardes eine Senkung der Zinsen nicht zur Debatte gestanden habe, dürfte dies folglich auch im April der Fall sein. Am Markt wurde eine Zinssenkung im April konsequenterweise fast vollständig ausgepreist. Im Gegensatz dazu würden bei der Sitzung im Juni viele neue, belastbarere Informationen existieren, die Auskunft über den unterliegenden inländischen Inflationsdruck gäben.
Diese vom Dienstleistungssektor getriebene Teuerung machen der EZB zu Recht auch immer noch Sorgen. Maßgeblich für deren Entwicklung sind zwei Komponenten: die Lohnentwicklung und die Entwicklung der Gewinnmargen der Unternehmen. In ihrem Blick nach vorne geht die EZB davon aus, dass sich das Lohnwachstum abschwächen wird und dass die Unternehmen nur einen Teil der zunehmenden Lohnbelastungen an ihre Kunden weitergeben, also einen Rückgang der zwischenzeitlich gestiegenen Gewinnspannen in Kauf nehmen. Wenn dieses Szenario eintritt, ist eine „Zinssenkung vor der Sommerpause“ möglich, wie es auch Bundesbank Präsident Joachim Nagel formuliert hat. Am Markt wird daran momentan nicht mehr gezweifelt; eine Zinssenkung um 25 Basispunkte ist vollständig eingepreist. Auch das erwartete Tempo des Zinszyklus haben die EZB-Äußerungen diese Woche beschleunigt: Es wird bis Jahresende nun wieder ein ganzer Prozentpunkt an Zinssenkungen eingepreist. Aus unserer Sicht erscheint der Zeitpunkt für den Beginn der Zinssenkungen weiterhin verfrüht und das Tempo der Senkungen zu schnell. Wir nehmen dabei die EZB, datengetrieben handeln zu wollen, beim Wort.
Wie die jüngsten Streiks in Deutschland nur allzu eindrucksvoll verdeutlichen, ist kurzfristig nicht mit einer Entspannung auf der Lohnseite zu rechnen. Dies dürfte dazu beitragen, dass die Reallöhne wieder steigen, was wiederum die Konsumnachfrage unterstützt und gegen eine spürbare Reduktion der Gewinnmargen spricht. Zudem dürfte sich in den kommenden Monaten der nach oben gerichtete Trend bei den Mieten fortsetzen. Die Wohnungsnot bleibt nicht nur in Deutschland drückend. In Summe gehen wir davon aus, dass die Daten bis Juni nicht die erhoffte Abschwächung des inländischen Preisdrucks zeigen und die EZB daher die Zinsen noch länger auf den jetzigen Niveaus belässt und erst im September – nach der Sommerpause – die Zinsen erstmals senkt. Bis dahin sollte sich die Datenlage verbessert haben und die Tür für Zinssenkungen öffnen. Aber auch dann dürfte der unterliegende Preisdruck erhöht bleiben und für ein moderates Tempo bei den Zinssenkungen führen. Bei einem Einlagesatz von 2,5 Prozent sollte Ende 2025 der Zinssenkungszyklus abgeschlossen werden.