Die September-Sitzung der US-Notenbank Fed war über Wochen das Thema an den Märkten. Und diese Woche war es endlich soweit. Spannend war dabei nicht die Frage, ob die Fed die Zinsen senkt – darüber bestand Einigkeit – sondern in welchem Ausmaß. Anstatt eines kleinen Zinsschritts entschied sich die Fed für einen größeren Schritt von 50 Basispunkten auf die Spanne von 4,75 bis 5 Prozent und damit für einen proaktiven Kurs. In seiner Begründung unterstrich Präsident Powell das wachsende Vertrauen in die Rückkehr der Inflation zum 2 Prozent-Ziel und die jüngste Abschwächung des Arbeitsmarkts.
Mit einer Gegenstimme wies die Entscheidung allerdings einen seltenen Dissens auf, der die wachsende Disparität in der Risikoeinschätzung hervorhebt. Die Aktienmärkte reagierten zunächst fast euphorisch auf die Lockerung, da damit die Hoffnung verbunden wurde, dass eine Rezession vermieden werden kann und die Zinsen weiter deutlich sinken.
Im weiterhin fragilen konjunkturellen Umfeld mit – trotz anhaltenden unterliegenden Inflationsdrucks – sinkender Inflationszahlen erwarten wir bis Ende 2024 zwei weitere Zinsschritte der Fed von jeweils 25 Basispunkten im November und Dezember. Von der Europäischen Zentralbank (EZB), die auf ihrer September-Sitzung die Wetten auf eine Oktober-Senkung einkassierte, erwarten wir einen weiteren Schritt im Dezember. Bei beiden Zentralbanken sind wir dabei vorsichtiger als die Markterwartungen.
Der Verlauf der Zinssetzung im Jahr 2025 hängt maßgeblich vom Ausgang der US-Wahlen ab, bei denen wir in unserem Basisszenario weiter von einem Trump-Sieg ausgehen. Ein durch Zölle geschürter Inflationsanstieg würde dabei den Zinssetzungsspielraum der Zentralbanken einengen und zu höheren Bond-Renditen führen. Gestärkt durch das erste TV-Duell konnte Kamala Harris in den Umfragen ihren Vorsprung gegenüber Trump zunächst ausbauen. Ein Sieg der Demokraten in den Swing-States ist jedoch weiterhin alles andere als sicher. Eine Konkretisierung der Wahlprogramme und volatile Umfragen dürften in den kommenden Wochen zu Markt-Kapriolen führen.
Auch in Europa dürfte es politisch turbulent bleiben. In Frankreich gibt es zwar mittlerweile wieder einen Premier, es fehlt aber weiter eine neue Regierung. Auch die Wahl der neuen EU-Kommission dürfte sich hinziehen. Damit bleibt Europa politisch geschwächt und es wird bis auf Weiteres keine Vorschläge zu einer Umsetzung der Empfehlungen des Draghi-Reports zur Überwindung der strukturellen Wachstumsschwäche in der EU geben.
Die von Mario Draghi geforderten Gemeinschaftsanleihen werden zunächst nicht kommen, wohl aber spätestens dann, wenn Trump tatsächlich US-Präsident werden sollte. Auch in Deutschland gab es mit den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen einen Vorgeschmack auf temporäre Regierungsunfähigkeit. Sollte dieser Zustand anhalten, droht nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich weiteres Ungemach.