DIE BÖRSENWOCHE

Nach der Wahl ist vor der Wahl

von Redaktion

Im Gegensatz zur Vorwoche wird die abgelaufene Woche wohl nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Dennoch wurde auch diese Woche einiges auf der politischen Bühne geboten, was die Märkte für den Rest des Jahres und das Jahr 2025 umtreiben wird.

Mit der Verkündung der ersten Personalvorschläge hat der künftige US-Präsident Trump klar gemacht, dass er seine Wahlversprechen einer harten Migrations- und Außenpolitik (vor allem gegenüber China) schnell und weitreichend umsetzen wird.

Nachdem es jetzt amtlich ist, dass die Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus eine Mehrheit haben, dürften die meisten dieser Vorschläge nun durchgewunken werden (vielleicht mit Ausnahme des innerparteilich umstrittenen Matt Gaetz als Justizminister, das wird sich zeigen).

Im Gegensatz zur ersten Trump-Administration wird die zweite schnell ihre Arbeit aufnehmen und neben einer Senkung von Steuern, die an den US-Aktienmärkten bereits weitgehend eingepreist ist, auch mit der Abschiebung von illegalen Einwanderern beginnen und Zollerhöhungen umsetzen, was aufgrund steigenden Inflationsdrucks den Zinssenkungsspielraum der Fed reduziert. Dies wird zwar an den Rentenmärkten berücksichtigt, findet an den Aktienmärkten bisher aber wenig Beachtung.

Ebenso zeigen sich die Akteure am Rentenmarkt bereits besorgt über zusätzliche Staatsschulden, während die Aktienmärkte in der Freude über die Steuersenkungen den Anstieg der Renditen für Staatsanleihen, die sich auch in steigenden Zinsen für Unternehmens- und Immobilienfinanzierungen widerspiegeln, noch nicht auf dem Schirm haben.

Während die USA Fakten schaffen, ist Europa dabei, sich zu formieren. Auch fast ein halbes Jahr nach den Wahlen zum Europäischen Parlament hat Kommissionspräsidentin von der Leyen immer noch kein neues Kabinett. Derzeit fehlt bei sieben der 26 Kommissionsleitungen noch immer das grüne Licht des Parlaments, und da die neue Kommission nur im Paket angenommen werden kann, kann sich die EU wohl erst Anfang 2025 mit einer neuen Führung auf die Herausforderungen durch die Trump-Administration vorbereiten.

Auf Ebene der EU-Mitgliedsstaaten ist die politische Lage ebenso fragil. In Frankreich dürfte die Minderheitsregierung wegen der Proteste von Landwirten wohl das geplante Mercosur-Abkommen platzen lassen, und in Deutschland herrscht ein politisches Führungsvakuum. Die gute Nachricht ist hier, dass nach einem kleinlichen Hin und Her mit dem 23. Februar 2025 ein Wahltermin gefunden wurde.

Laut aktuellen Umfragen wird die Union als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgehen. Doch die Bildung einer Koalition dürfte für den wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz schwierig werden und der fiskalische Gestaltungsspielraum ohne eine Reform der Schuldenbremse minimal sein.

In Anbetracht der deutlichen Unterschätzung von Trump bei den Wahlumfragen in den USA sollten auch bei uns die Umfragewerte der Parteien am politischen Rand mit großer Vorsicht genossen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die politischen Ränder im Parlament mehr als ein Drittel der Sitze erhalten und damit ein Veto bei Verfassungsänderungen hätten. Daher sollten die gemäßigten Parteien noch vor den Wahlen eine Reform der Schuldenbremse beschließen, die zusätzliche Investitionsausgaben ermöglicht.

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