Wenn aus einer Ehe die Luft raus ist, denken viele über eine Scheidung nach. Die Vorstellungen von den rechtlichen Vorgaben sind jedoch oft falsch. © Christian Charisius, dpa
Rund um das Ende einer Ehe ranken sich zahlreiche Mythen, die Betroffene verunsichern und im schlimmsten Fall von wichtigen Entscheidungen abhalten können. Hier die gängigsten Irrtümer – und wie es wirklich ist.
Kosten
Mythos 1: Eine Scheidung ist so teuer, das können sich nur Reiche leisten.
„Das ist Quatsch“, sagt Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende des Ausschusses Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins. Der Grund: Gerichts- und Anwaltskosten richten sich nach den Netto-Einkünften und dem Vermögen der Eheleute. Je schlechter es also um die finanziellen Verhältnisse bestellt ist, desto geringer fallen auch die Kosten für eine Scheidung aus.
Hinzu kommt der Rechtsanwältin Sandra Günther zufolge, dass Sozialhilfeempfänger und Menschen ohne Einkommen Verfahrenskostenhilfe beantragen können. Der zuständige Familienrichter müsse prüfen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind und die Leistung gegebenenfalls bewilligen.
Dauer
Mythos 2: Je kürzer die Ehe, desto schneller geht die Scheidung.
Falsch. Denn egal, ob die Ehe drei Wochen oder 20 Jahre gedauert hat – es muss grundsätzlich das sogenannte Trennungsjahr eingehalten werden. „Die Eheleute müssen somit mindestens ein Jahr von Tisch und Bett getrennt leben, damit die Scheidung beantragt werden kann“, sagt Sandra Günther. Auch eine Härtefallscheidung – etwa aufgrund von Gewalt in der Ehe – benötige Zeit. Ein solches Verfahren setze schwerwiegende Verfehlungen voraus und sei mit hohen Beweisanforderungen verbunden. „Bis ein solches Verfahren beendet ist, ist das Trennungsjahr gewiss längst abgelaufen, sodass normal geschieden werden kann“, sagt Günther.
Die Scheidung selbst kann nach Ablauf des Trennungsjahrs bei kurzen Ehen aber oft schneller vollzogen werden, weil die finanziellen Verhältnisse weniger verwoben sind. Zumal bei Ehen, die weniger als drei Jahre gedauert haben, nur auf Antrag ein Versorgungsausgleich durchgeführt wird.
Gründe
Mythos 3: Die Gründe für die Scheidung müssen wir dem Familiengericht mitteilen.
Nein, müssen Sie nicht. Voraussetzung für die Scheidung sind Eva Becker zufolge lediglich zwei Dinge: erstens der Ablauf des Trennungsjahrs und zweitens der sogenannte Abkehrwille eines Ehegatten von der Ehe. „Dem Gericht ist vollkommen egal, ob Sie einen neuen Lebenspartner haben oder ob Ihr Ex Sie betrogen oder geschlagen hat“, sagt Becker.
Umgangsrecht
Mythos 4: Das Umgangs- und Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder wird im Scheidungstermin automatisch mit geregelt.
Falsch. Scheidung, Umgangsrecht oder Sorgerecht sind verschiedene Angelegenheiten. „Das Umgangsrecht bezüglich gemeinsamer Kinder wird im Streitfall immer erst beim Jugendamt besprochen“, sagt Sandra Günther. Wird dort keine Lösung gefunden, muss ein Umgangsantrag beim Familiengericht gestellt werden. Auch eine Sorgerechtsregelung wird nicht im Rahmen einer Scheidung getroffen. Eltern behalten dieses auch danach gemeinsam.
Verhinderungstaktik
Mythos 5: Mein(e) Ex kann verhindern, dass wir geschieden werden und die Scheidung bis zu drei Jahre hinauszögern.
„Kokolores“, sagt Eva Becker. Für eine Scheidung ausreichend sind bereits erwähntes Trennungsjahr sowie der Trennungswille eines Ehepartners. „Ist beides erfüllt, hat die andere Seite nicht die Möglichkeit, das zu blockieren – so sehr sie es auch möchte.“
Halbe-Halbe
Mythos 6: Durch die Ehe gehört uns alles gemeinsam, mir steht also genau die Hälfte des Vermögens zu.
Auch das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. „Alles, was Sie in die Ehe eingebracht haben, gehört ganz allein Ihnen – auch im Falle einer Scheidung“, sagt Rechtsanwältin Becker. Nur das Vermögen, das Eheleute im Laufe der Ehe angehäuft haben, wird bezogen auf dessen jeweilige Wertsteigerung verglichen und muss genau hälftig geteilt werden. Derjenige, der mehr erwirtschaftet hat, muss dem anderen daher die Hälfte der Differenz ausgleichen. Aber aufgepasst: Der schuldrechtliche Ausgleichsanspruch ist immer ein Baranspruch. Es besteht kein Anspruch auf bestimmte Vermögensgegenstände wie den Picasso oder das Familienauto.
Anwalt teilen
Mythos 7: Um Kosten zu sparen, können wir uns einen Anwalt teilen.
„Das geht nicht“, sagt Eva Becker. „Anwälte sind immer nur Interessenvertreter einer Seite.“ Was hingegen geht: dass nur ein Partner einen Anwalt nimmt und mit dessen Hilfe einen Scheidungsantrag einreicht. Auf diese Weise lässt sich wirklich Geld sparen, weil man sich nur einmal Anwaltskosten teilt. Wenn man sich einig ist, kann die Gegenseite dem Antrag ohne anwaltliche Vertretung vor Gericht einfach zustimmen.
Steuer
Mythos 8: Steuerrechtlich können wir noch bis zur Scheidung von der Zusammenveranlagung profitieren.
Auch das stimmt nicht. Lediglich im Trennungsjahr können Ex-Partner noch vom oft vorteilhaften Ehegattensplitting profitieren. Wer sich im Januar 2025 getrennt hat, kann somit noch in diesem Jahr einmalig einen möglichen Steuervorteil mitnehmen, danach ist Eva Becker zufolge Schluss. Aber Achtung: Wollen Ex-Partner noch einmal zusammen veranlagt werden, müssen beide damit einverstanden sein und einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt stellen.
Schulden
Mythos 9: Für die Schulden meines (Ex-)Partners hafte ich automatisch mit.
Das ist Unsinn. „Wer einen Kredit aufnimmt, haftet immer nur selbst“, sagt Eva Becker. Und zwar ganz egal, ob man verheiratet, getrennt lebend oder geschieden ist. Aus Angst vor diesem Risiko muss sich also niemand schneller scheiden lassen.
Anders sieht es aus, wenn etwa für eine gemeinsame Immobilie beide Partner einen Kreditvertrag unterzeichnet haben. Dann haften auch beide gemeinsam für die Rückzahlung der Schulden.