Grassau – Für das klassisch verwöhnte Publikum ertönten eher ungewohnte Klänge auf dem Grassauer Hügel. Mit Formaten wie „Literatur und Musik“, dem „Musikalischen Salon“ und der mittlerweile etablierten Reihe „Jazz in der Villa“ möchte die Wolfgang-Sawallisch-Stiftung gerne über den Tellerrand der klassischen Musik schauen. So konnte sich das Philipp-Stauber-Trio im ausverkauften großen Saal der Sawallisch-Villa präsentieren und wurde mit häufigem Zwischenapplaus belohnt. Für die Kenner hörbar spielte der in Aschau lebende Jazzmusiker auf seiner Archtop-Gitarre – umgangssprachlich als Jazzgitarre bezeichnet – mit einer bogenförmig geschnitzten Decke wie bei einer Geige, also entsprechend stilgerecht für eine Musikakademie. Als Schüler der Gitarrenlegenden Joe Pass und Howard Roberts ist er in internationalen Jazzkreisen für seinen ganz eigenen Stil bekannt. Philipp Stauber startete mit dem irischen Song „Danny Boy“.
Ursprünglich eine Ballade, aber eher bekannt durch Jonny Cash, wurde in diesem Fall einzigartig vorgetragen. Mit von der Partie war einer der bekanntesten Jazz-Bassisten sowie Echo-Preisträger Henning Sieverts, der mit Philipp Stauber auf eine jahrzehntelange gemeinsame Spielzeit zurückblicken kann und von dem erzählt wird, er könne Gedanken lesen, indem er ahnt, was sein Gitarrenpartner spielen wird, bevor dieser es selbst weiß. Und Till Martin am Tenor-Saxofon mit einem geradlinigen, schnörkellosen Jazz, wenn er spielt, als würde er Geschichten erzählen. Beim ersten Set folgten weitere gängige Standards wie „Loverman“, „Wave“ über „Stomping at the Savoy“ und andere. Nach der Pause ging es weiter mit Swing und Improvisation vom Feinsten. Ein Ohrwurm wie „Autumn Leaves“ durfte nicht fehlen, wobei die Phrasierungen der drei Instrumente die seichten Klänge des ursprünglich französischen Chansons etwas groovy und funky erscheinen ließen.
Und wenn jemand glaubt, dass man „Girl from Ipanema“ eher aus der Piano Bar kennt, wurde er durch die harmonische Raffinesse der drei Musiker eines Besseren belehrt und „beswingt“ in eine brasilianische Lounge entführt. Abschließend wurde es etwas ernsthafter bei „Body and Soul“ aus den 1930er-Jahren, mit allen guten Wünschen für das Publikum. Zum einen Swing pur, zum anderen nahm Henning Sieverts diesmal den Bogen, um quasi an die sonst übliche Klassik in der Sawallisch Villa anzuknüpfen. Bei der Zugabe mit „Our love is here to stay“ konnten alle drei Musiker nochmal ihr auf einander abgestimmtes Zusammenspiel bis zum letzten Ton zeigen. Ein klangvoller Abend für die Kenner. Geprägt von klassischen Jazzstandards des 20. Jahrhunderts, musikalischen Kontrasten und ungewöhnlichen Klangmalereien.
Marion Tippmann-Böge