Eine Medea im Netz der Intrigen

von Redaktion

Wasserburger Theatertage Projekt „20 Stiere Rosenheim“ zeigt antiken Mythos neu

Wasserburg – Die freie Theatergruppe „20 Stiere Rosenheim“ begeisterte mit dem Drama „Medea: Stimmen“ bei den Theatertagen. Die Bühnenadaption des Romans von Christa Wolf zeigte die tragische Medea-Figur in einer völlig neuen Sichtweise.

Im Sagenschatz des klassischen Altertums ist Medea, die zauberkundige Tochter des Kolcher-Königs Aietes, wohl eine der bekanntesten weiblichen Figuren. Mit ihrer Hilfe gelang es Jason und den Argonauten, das Goldene Vlies zu rauben. Für Jason hatte Medea ihre Familie in Kolchis verlassen. Auch soll sie den eigenen Bruder ermordet haben. Jason und Medea mit ihrem Gefolge finden Aufnahme in Korinth. Als sich Jason dort der Königstochter Glauke zuwendet, tötet Medea aus Rache die eigenen Kinder und Jasons neue Geliebte.

Die Furcht der Machthaber

Christa Wolfs Roman erzählt den antiken Mythos neu. Ihre Medea ist, anders als im antiken Drama des Euripides, keine Mörderin. Vielmehr wird sie zum Opfer einer groß angelegten Intrige. Korinths Machthaber befürchteten, Medea könnte ein von ihnen begangenes Verbrechen publik machen und dadurch ihren Machterhalt gefährden. Regisseurin Anna Grude spannte in ihrer Inszenierung den Bogen zwischen dem Korinth der Antike und unserer Gegenwart in Westeuropa. Ihr Fazit: Die gesellschaftlichen Phänomene und Verwerfungen sind annähernd identisch. Rassismus, die Furcht vor allem Fremdartigen, patriarchale Wertvorstellungen und Clanstrukturen stellen auch die moderne Zivilisation vor enorme Herausforderungen.

„Korinther kann nur werden, wer sich auf Gedeih und Verderb in die Hände Korinths begibt“, lautete die faschistoide Botschaft von Akamas, dem ersten Astronomen am Hofe von Korinth. Oliver Vilzmann spielte den mächtigsten Mann nach König Kreon als eine Figur von lächelnder Eiseskälte und maximaler Intriganz. Selbst die eher sehr selbstbewusste und aufrichtige Medea musste vor Akamas‘ Heimtücke zittern. Anna März begeisterte als Medea. Sie war die kompromisslose Heldin und willensstarke Frau. Allerdings war Scheitern in einer von Männern dominierten Gesellschaft vorhersehbar, zumal ihr Ex-Mann und Vater ihrer beiden Kinder Jason wenig hilfreich war. Andreas Schwankl gab den gefühlten Antihelden. Denn anders als von einem tapferen Argonautenführer erwartet, war Jason eher willensschwach, anpassungsfähig und etwas linkisch. Nicht nur rein optisch passte deshalb Kreons Tochter Glauke als blass-kränklich wirkendes Mädchen besser zu Jason als seine taffe Ex-Frau Medea. Miriam Brodschelm überzeugte in der Rolle von Jasons neuer Geliebten, wozu es dann allerdings nicht mehr kam. Und auch ihr Tod sollte Medea angelastet werden.

Ein Chor der Verschwörer

Selbst vormals Vertraute, die mit Medea nach Korinth gezogen, stimmten jetzt in den Chor der Verschwörer gegen sie ein, sei es nun um den eigenen Aufstieg und die Akzeptanz bei den Korinthern zu beschleunigen oder auch nur aus blankem Hass heraus. Auf Medeas ehemalige Schülerin Agameda, dargestellt von Sara Sukarie, traf beides zu. Als Waise kam sie in Medeas Obhut. Von ihr sollte sie die Heilkunst erlernen und wurde deshalb besonders streng behandelt. Als nach einem Erdbeben in Korinth auch noch die Pest ausbricht, wird Medea als Wurzel allen Übels identifiziert und in die Verbannung geschickt.

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