Herrenchiemsee – Sturm und Drang: So heißt eigentlich die Strömung der deutschen Literatur in der Epoche der Aufklärung (von 1765-1785). Und doch umschrieb Sturm und Drang trefflich das Konzert des Kammerorchesters Basels unter Leitung der virtuosen, temperamentvollen und vergnügten Julia Schröder und mit der Solo-Cellistin Anastasia Kobekina im Spiegelsaal des Schlosses Herrenchiemsee. Das Ensemble: hoch diszipliniert, technisch einwandfrei und zugleich voller Heiterkeit und Energie. Die Darbietung: Ein Ausbund an stürmischem Vorwärtsdrängen, ohne zu eilen, an Spannung, ohne aufgesetzt zu wirken, an Kantabilität und an Ausdrucksfülle, die sich in den langsamen Sätzen in schönster Dichte zeigte.
Pure
Spiellaune
Die Solistin an einer Stradivari aus dem Jahr 1698: voll purer Spiellaune, von kapriziös über übermütig bis hochraffiniert, auf ihrem Cello singend. Doch der Reihe nach: Das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur von Haydn gestalteten die Musiker herausragend schneidig-elegant und mit wunderbaren Wechsel von Solo- und Tutti-Blöcken: Jede Note legte Zeugnis ab von der feurigen Präzisionslust des Basler Kammerorchesters, die aber dennoch wie selbstverständlich daherkam. Die Solistin Anastasia Kobekina verzauberte mit plastischer und zugleich aller Gewöhnlichkeit entrückender Ausdruckskraft. Die hohen Lagen über weite Teile im kantabileartigen Adagio schienen zu schweben, die Ansage allegro molto wirkte wie Zunder für das schwungvoll gespielte Solo, reizvoll-ungestüm und voller Lebensfreude. Die Auswahl an ungarischen Tänzen von Brahms – hier in der Bearbeitung für Violoncello und Orchester von Anastasias Vater Vladimir Kobekin – war nicht minder beeindruckend: volkstümliche Kunstmusik mit blockhaftem Aufbau und häufigem Wechsel zwischen schnellen und langsamen Tempi sowie zwischen Dur und Moll. Das Zusammenspiel mit Julia Schröder und dem Basler Kammerorchester kam wie aus einem Guss rüber. Blind schienen sich die Musiker auf Anhieb zu verstehen – ein unüberhörbar sich gegenseitig inspirierender künstlerischer Impuls, eine erzählerische Dimension, eine magisch strömende, aber nie pathetisch wirkende Klangfülle. Die Solo-Cello-Zugabe, Bachs Suite Cello Nr 1 G-Dur, war schwerelos-anmutiges Spiel, eine non-verbale vox humana, zeitlos gültig. Die Lust des Basler Kammerorchesters und seiner Konzertmeisterin hielt auch nach der ruhigen Solo-Einlage weiter an: Die Ouvertüre zu Haydns Operette „L‘isola disabitata“ zeugte von der Leidenschaft des Ensembles, sich mit dem Erzählreichtum dieser Musik auseinanderzusetzen. Die nach vorne preschende Bewegungsenergie setzte sich auch bei Mozarts Symphonie Nr. 25 g-Moll fort. Drängende Tempi, geschärfte Klangprofile, keine Zurückhaltung, sondern affektvoll stellten die Musiker die Details der Partitur in den Dienst des Ausdrucks. Was für theatralische Kontrastwirkungen: Furios stürmte der erste Satz dahin, der langsame Satz und das Menuetto waren schönste Dichte, gekrönt von unfassbarer symphonischer Power im finalen allegro.
Energiegeladenes
Feuerwerk
Ein energiegeladenes Feuerwerk, voller Lebensfreude, spritzig und doch auch duftig und elegant, das das Publikum nicht auf den Sitzen hielt.
Alte Instrumente – hier in lupenreiner Intonationsgenauigkeit, Tempostabilität und rhythmischer Energie. Sturm und Drang in musikalischer Perfektion.