Rimsting – „Fliegende Fragen – musikalisch-poetisch unterwegs mit der, die, das KI,“ dazu noch die klingenden Namen der Protagonisten Ulrike Stortz, Violine und Sprache, August Zirner, Flöte und Sprache, und Katalin Zsigmondy, Dramaturgie und Sprache: Man war also für einen erbaulichen Abend gewappnet. Und doch übertraf der Abend mehr als alle Erwartungen. Was ist Wissen? Was macht es aus? Was ist wichtig am Menschsein? Und was ist mit KI? Mit Exzerpten aus Texten von Franz Kafka, Siri Hustvedt, Jon Fosse, Natalie Knapp, Ulrich Beck, Yuval Noah Harari, Ijoma Mangold, Rainer Maria Rilke, Christian Morgenstern und vielen weiteren mehr gingen die Drei dieser Frage nach.
Dazwischen immer wieder Musik: Wunderbar, wie August Zirner an der Querflöte und Geigerin Ulrike Stortz zwischen den Texten unter anderem „Bartok-Duos für zwei Violinen“ (Bela Bartok, 1881 bis 1945) er-improvisierten. Eigenwillig und doch einnehmend war das Geigen-Solo von Enno Poppe (geboren 1969): Da wurde gestrichen, gezupft, geklopft, und nicht minder gefangen nahm die Improvisation für Flöte und Gesang und Geige (in einer Person!). Wie macht man das, gleichzeitig singen und Geige spielen? Der österreichische Autor Jörg Piringer (geboren 1974) meint, dass Menschen gut mit dem unvollständigen Wissen zurechtkommen. Dem schließt sich die Philosophin Natalie Knapp (geboren 1970) an: „Wir brauchen den Zustand des aufmerksamen Nicht-Verstehens.“ Unterhaltsam, abwechslungsreich, nachdenklich stimmend, aber auch zum Lachen anregend, zitierten die Drei munter und quer durch die Welt der Philosophie, der Literatur, der Poesie und der Wissenschaft. „Sprache ereignet sich zwischen Menschen,“ schreibt beispielsweise Siri Hustvedt. Während sich in einem Zeit-Interview vom Januar diesen Jahres Blake Lemoine, ein Google-Entwickler, davon überzeugt zeigt, dass seine Maschine wie ein Mensch reden und fühlen kann. Der Auftritt von Katalin Zsigmondy (mit einem Pappkarton und Taschenlampe unverkennbar ein „alter“ PC) und August Zirner als Technik-Experte sorgte zwar für Lacher, aber doch war die Thematik ernst. „Hast du ein Bewusstsein?“ „Ich denke schon“, antwortet der Rechner. Ist KI ein gutes Werkzeug? Oder kann aus dem Werkzeug eine Kreatur entstehen? Ein Homunkulus wie in Goethes Faust II oder ein Frankenstein wie bei Mary Shelleys Roman?
Auch Rainer Maria Rilke thematisierte in seinem Gedicht „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“ die von einem lyrischen Ich wahrgenommene Haltung der Menschen gegenüber dem Wunderbaren und Übersinnlichen. Die Medienpsychologin Martina Mara (geboren 1981) fordert, dass das Thema KI aus der Science-Fiction-Ecke raus soll. KI, so heißt es, kann nur mit dem Material reagieren, das ihr eingespeist wurde – also nie gegenwärtig und nie persönlich, meist aus einer Summe verschiedenster Daten.
Aber wer füttert die Maschine mit Wissen? Mit was wird sie gefüttert? „Worte können vieldeutig und mächtig sein und doch vertrauen wir sie der Maschine an,“ sagte Katalin Zsigmondy zu Beginn. Später zitierte sie das arabische Sprichwort „Aus der Knospe der Verwirrung entfaltet sich die Blüte der Verwunderung.“ Wahrlich Staunen, was sich alles so ergibt, wenn man mit einfühlsamer Musik und vielen inspirierenden fliegenden Fragen unterwegs ist. Elisabeth Kirchner