Die Jagd nach dem Ideal

von Redaktion

Joana Mallwitz dirigierte erstmals die Münchner Philharmoniker

VON MARKUS THIEL

Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich an eine der härtesten Nüsse der Musikgeschichte wagt. Günter Wand riskierte Schuberts große C-Dur-Symphonie dereinst erst mit Anfang 60, für Joana Mallwitz kommt die Wiedervorlage schon mit 34 – und das nun als Debüt bei den Münchner Philharmonikern. Die Nürnberger Generalmusikdirektorin führt im Gasteig vor, warum ihre Karriere so atemberaubend verläuft. Es ist die inhaltliche Arbeit, die Vertiefung und das Verständnis für komplexeste Partituren, was auch hier ohrenfällig wird. Und es ist die handwerkliche Fähigkeit, all das zu verdeutlichen.

Joana Mallwitz zeigt einen starken Willen, und manchmal will sie auch ein bisschen viel. Wie sie das Kantable herausarbeitet, wie sie vorführt, dass Schuberts Lyrismen Grundzutat, Kontrast und manchmal sogar eine Art Flucht aus strukturellem Aufruhr sein können, das überzeugt vor allem im Kopfsatz. Und auch die natürliche Verzahnung des liedhaften Themas im Finale mit der treibenden Begleitung, die so vielen Kolleginnen und Kollegen Probleme bereitet, glückt hier. Das Detailbewusstsein dieser Dirigentin ist frappierend. Doch bei diesem Opus steht es ihr im Ernstfall Aufführung auch etwas im Weg.

Damit ist nicht die kleine Irritation des Orchesters am Ende des ersten Satzes gemeint. Eher die Eigenart, dass Joana Mallwitz ständig damit beschäftigt ist, alles Mögliche zu veranschaulichen und so ihr Idealbild des Stücks schon jetzt und vollständig zu realisieren. Manchmal fordert sie also mehr von den Philharmonikern, als sie tatsächlich bekommen kann. Nicht immer rastet alles sofort ein, auch die weit auseinandergezogene Aufstellung mag daran schuld sein.

Entspannter, mit klugem Understatement die „Rokoko-Variationen“ von Tschaikowsky. Die helle Substanz, die Raumresonanz des Spiels von Cellist Edgar Moreau wird ins Orchester eingepasst – bevor Joana Mallwitz nach kurzer Umbaupause mit der Symphonie loslegt. Es ist ein früher, aufregender Entwurf „ihres“ Schuberts. Was nur neugierig macht auf die Weiterentwicklung.

Aufzeichnung

auf BR Klassik am 4. November, 20.05 Uhr.

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