Wie alle Museen müssen auch die Häuser der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, zu denen die Pinakotheken in München und viele Museen in ganz Bayern gehören, geschlossen bleiben. Und das schon seit dem 1. November 2020 – obwohl alle Anti-Corona-Regeln perfekt umgesetzt wurden und wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die Ansteckungsgefahr in Ausstellungen so gering ist wie kaum sonst wo. Generaldirektor Bernhard Maaz hat deswegen zusammen mit vielen weiteren namhaften Leitungspersönlichkeiten einen Brief an die politisch Verantwortlichen geschrieben. Österreich, Italien und die Schweiz zum Beispiel haben die Museen bereits wieder zugänglich gemacht. Wir sprachen mit Maaz über die unbefriedigende, ja trostlose Situation.
Wie groß ist Ihre Traurigkeit, wenn Sie durch die leeren Säle mit all den wundervollen Schätzen gehen?
Ehrlich gesagt, das macht man nicht, weil die Räume meist scharfgeschaltet sind. Wenn es gelegentlich vorkommt, bin ich froh, dass die Bilder in einem guten Zustand an den trockenen, wohltemperierten Wänden hängen. In der Geschichte der Museen hat es viel größere Katastrophen gegeben. Aber traurig bin ich, weil die Gemälde immer fragen: Wo sind die Menschen? Dann gebe ich die Antwort: Das hat Gründe, die sind nachvollziehbar – aber es dauert nicht mehr sehr lange, bis es besser wird.
Was sagen Sie dazu, dass am Montag nicht die Museen geöffnet werden, sondern Friseurläden, Blumen- und Baumärkte? Sind Sie sauer?
Wir erkennen, dass die Politik viel Dampf macht, dass die gesellschaftlichen Bedürfnisse sukzessive wieder erfüllt werden. Wir sind gottsfroh, dass wir mit digitalen Formaten die Abwesenheit ausgleichen konnten. Das ist indes nur ein Behelf. Sauer brauchen wir nicht zu sein, denn wir sind in Abstimmung mit dem Kunstministerium. Wir hoffen, dass möglichst viele Menschen möglichst vernünftig sind und das Virus nicht weitertragen. Dann können wir schneller öffnen.
Welche Resonanz von politischer Seite gab es auf den Mahn- und Warnbrief von Ihnen und Ihren Kollegen?
Dieser Brief ist bewusst nicht-öffentlich gehalten worden, war Anregung zum Gespräch über die Situation. Es gab eine Resonanz, auch die ist nicht-öffentlich. Aber, aber ist ganz klar: Wir können nicht über das Museum schlechthin reden. Wir haben in Deutschland etwa 7000 Museen. Die großen Häuser mit guter Klimaanlage, mit weiten Räumlichkeiten, mit Abstandsregelung, Besucherlenkung und Hygienekonzept sind in einer besseren Lage. Das kann ein kleines Heimatmuseum nicht leisten. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Wir können nicht erwarten, dass alle gleichzeitig öffnen. Außerdem bleibt es ein Anliegen der Direktorinnen und Direktoren, immer wieder auf die Bildungsfunktion der Museen hinzuweisen. Das Bewusstsein in der Politik ist erkennbar, dass wir nicht die Letzten sein sollen, wie Monika Grütters (Bundesstaatsministerin für Kunst, Anm. d. Red.) in vielen Interviews gesagt hat. Das Bedauern über die Schließungen verbindet uns mit den Politikern; diese Überzeugung habe ich gewonnen.
Kultureinrichtungen wurden als Erste geschlossen, jetzt werden sie aber nicht als Erste geöffnet.
Museen sind Orte, an denen sich viele Menschen treffen.
Sicher nicht mehr als im Baumarkt.
(Seufzt.)
Ich weiß, es ist schwierig, diplomatisch zu sein.
(Lacht.) Was wir als Museen sagen können und was die Politik weiß: Museen sind Wirtschaftsfaktoren. Die Kultur ist einer der größten Wirtschaftsfaktoren in Deutschland. Und wir sind Bildungseinrichtung, wir sind das neben Volkshochschule und Schule, neben Universitäten. Und: Wir halten unsere Häuser in einem vorzeigbaren Zustand, um jederzeit öffnen zu können; mit einem Vorlauf von zwei Wochen können wir unsere Türen aufmachen.
Ahnen Sie einen Zeitpunkt?
Nein – nein.
Welche Arbeiten konnten Sie und Ihr Team in der Schließzeit erledigen?
Museen sind Forschungseinrichtungen. Das wird in der Öffentlichkeit oft nicht hinreichend wahrgenommen und reflektiert. Dieses Arbeiten läuft weiter. Restaurierungen konnten in einzeln belegten Werkstätten weitergehen. Sogar der Auszug der Bestände der Neuen Pinakothek konnte mit einem strengen Hygienekonzept und mit festen Zweierteams durchgeführt werden. Der größte Schmerz bleibt: dass Menschen nicht zu uns kommen, dass wir unserer Bildungsaufgabe nicht gerecht werden können und nur im digitalen Raum präsent sind.
Wie erfolgreich sind denn diese Internet- Angebote?
Da gibt es eine für uns aufregende Wahrnehmung, nämlich Führungen für Familien sind weit über den Münchner Raum hinaus bis ins Ausland beliebt. Der digitale Kanal ist räumlich weiterreichend. Wir haben unsere Sammlung online gestellt, wir haben eine gepflegte Website, wir haben #Kunstminute, Google Arts and Culture, interaktive Führungen. Die Zugriffszahlen haben sich erheblich erhöht – übrigens in allen Museen. Da ist viel Trost drin, und das wird auch bleiben.
Ausstellungen wie „Resistant Faces“ in der Pinakothek der Moderne wurden im Herbst eröffnet und gleich wieder geschlossen. Können sie verlängert werden?
Jeder Fall ist ein Einzelfall. Bei „Resistant Faces“ geht es aus konservatorischen Gründen nicht; die Schau schließt am 11. April. „Au rendez-vous des amis“ haben wir verlängert bis Anfang 2022.
Können Sie und Ihr Team überhaupt noch Präsentationen planen?
Frau Dattenberger, wer nach einem Jahr Krise nicht planen kann… Wir leben nur noch mit Planungen und Umplanungen. Wir können uns zum Glück auf unsere Mannschaft verlassen. Eine Herausforderung ist, finanziell zu jonglieren, weil wir nicht wissen, wie viele Besucher kommen.
Die Festangestellten sind abgesichert, aber in Ihrem Bereich gibt es viele Freiberufler. Die sind existenziell bedroht.
Ja, ganz genau. Aus Gesprächen im politischen Raum weiß ich jedoch: Das ist ein erkanntes Problem. Beim Neustart zwei kann man wohl zu Recht hoffen, dass die Politik darauf achtet.
Das Gespräch führte Simone Dattenberger.