Zum Glück brodelte auch zu Mozarts Zeiten und danach die Gerüchteküche – und spuckte die Nachricht aus, dass Antonio Salieri seinen Komponisten-Kollegen Wolfgang Amadeus Mozart vergiftet habe. „Fake News“, die uns über die Jahrhunderte ein Drama Puschkins, eine Oper Rimski-Korsakows, Peter Shaffers Theaterstück, Milos Formans Film und am Donnerstagabend im Gärtnerplatztheater die theatrale Behauptung „Mozart muss sterben“ bescherten.
Josef. E. Köpplinger, der Hausherr persönlich, bediente sich an den Vorlagen und dem, was im damaligen Wien kolportiert wurde, und arrangierte ein passgenaues Potpourri aus Arien, Duetten und Ensembles. Zu Takten aus seinem Requiem und seiner „Sinfonia Veneziana“ verwandelte sich der greise Hof-Compositeur Salieri (Erwin Windegger) in den eifersüchtigen, missgünstigen Widersacher des Genies. Und dann purzeln dessen musikalische Streiche wie aus einem Füllhorn übers Publikum. Frech verknüpft Köpplinger Szenen aus Mozarts Werk und Biografie: Er schickt die koloraturblitzende Jennifer O’Loughlin als Salieris Lieblingsschülerin mit Konstanzes „Martern aller Arten“ ins Rennen. Er lässt die aufgewühlte Mária Celeng Donna Elviras Eifersucht ausleben und die reizende Anna-Katharina Tonauer zwischen Cherubinos Pubertät und Zerlinas Verführungskunst wechseln.
Wenn Salieri sich an Mozarts Frau Constanze (Florine Schnitzel) heranmacht, dann lockt Timos Sirlantzis als jugendlicher Giovanni mit dunklem Bariton. Und steigt schließlich in Sarastro-Tiefen, wo er vom Chor mit den „Strahlen der Sonne“ illuminiert wird. Dagegen trumpft Lucian Krasznec mit kerniger Höhe in Taminos Bildnis-Arie auf. Nur wenige Handgriffe genügen Köpplinger für kurze Uraufführungs-Szenen, die den kaiserlichen Zuschauer Josef II. allerdings überfordern. Gleichwohl macht Daniel Gutmann als Figaro, der zuvor zu Giovannis Ständchen gekonnt die Mandoline zupfte, dem unerfahrenen Soldaten Cherubino ordentlich Dampf („Non piu andrai“).
Die nächste Geburt im Hause Mozart kommentiert Gutmann, unterstützt von der munteren Julia Sturzlbaum, mit gemeinsamem „Pa-pa-pa-pagena…geno“. Je näher Mozart seinem frühen Tod rückt, desto mehr verdüstert sich die Szenerie, von Heiko Pfützner mit wechselnder Projektion und wenigen Versatzstücken rasch verwandelbar gestaltet. Das „Lacrimosa“ aus Mozarts letzter, unvollendeter Komposition, seinem „Requiem“, wird zum ergreifenden Schlussgesang für Ensemble und Chor. Salieri kann nur frustriert registrieren, dass sein Name mit Mozarts Tod immer in Verbindung gebracht werden wird. „So halt ich mich am Leben…“
Bei der wechselvollen Wanderung auf Mozarts Schaffensweg, der mit Anklängen aus der „Maurerischen Trauermusik“ endet, fungiert Anthony Bramall als souveräner, zügige Tempi vorgebender Lotse – für Sänger, Chor und Orchester. Kein Zweifel: Mozart lebt!
Weitere Aufführungen
im Januar 2022.