Kräftemessen unter Freunden

von Redaktion

Evgeny Kissin und Krysztof Urbański beim BR-Symphonieorchester in der Isarphilharmonie

VON TOBIAS HELL

Der gute alte Rachmaninow verfehlt seine Wirkung nie. Das wissen wir spätestens seit Billy Wilders Kino-Klassiker „Das verflixte siebte Jahr“, in dem der Protagonist versucht, Marilyn Monroe mit Klaviermusik des russischen Komponisten zu verführen. Wenn auch am Ende vergeblich. Mehr Erfolg war da nun Evgeny Kissin vergönnt, der das Publikum in der Isarphilharmonie mit Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 zu Begeisterungsstürmen hinriss und sogar noch zwei Zugaben nachlegen musste, ehe man ihn ziehen ließ.

Jubel, den sich der Ausnahmepianist voll und ganz verdient hatte. Er vermied es geschickt, die gern an der Grenze zum Kitsch balancierende Komposition noch mit zusätzlichem Pathos zu überzuckern. Dem oft beschworenen Klischee der „russischen Seele“ (was auch immer damit gemeint sein mag) setzte er eine hochkonzentrierte und von großer Klarheit bestimmte Interpretation entgegen. Einfühlsam begleitet von Dirigent Krzysztof Urbański, der das aufmerksam folgende BR-Symphonieorchester immer wieder behutsam dämpfte. Die aufbrausenden Momente blieben im Kopfsatz so meist den solistischen Passagen des Klaviers vorbehalten, die Kissin kontrastreich gestaltete. Eine in sich stimmige Lesart, die sich im Intermezzo fortsetzte, ehe im Finale ein freundschaftliches Kräftemessen begann, bei dem der Pianist seine Präsenz selbst gegen das mächtigste Aufbäumen des Orchesters behauptete.

Nicht minder beeindruckend die hierauf folgende Zehnte von Schostakowitsch. Jene Symphonie, mit welcher der Komponist 1953 den kurz zuvor verstorbenen Stalin zu Grabe trug. Oder besser gesagt: in die Gruft prügelte. An der Botschaft dieses politisch aufgeladenen Werkes ließ auch Krzysztof Urbańskis kompromisslose Herangehensweise keinen Zweifel aufkommen. Weder im aggressiv rasselnden Scherzo, noch im Finale, wo er die Emotionen erneut hochkochen ließ, dazwischen aber ebenso Zeit fand, um die melancholischen Einwürfe der exzellenten Holzbläser zur Geltung zu bringen.

Artikel 6 von 7