„Von Bernstein können wir viel lernen“

von Redaktion

Musical-Sängerin Melanie Sierra über den Erfolg der „West Side Story“ und Bradley Cooper

VON TOBIAS HELL

Die Weltpremiere der aktuellen „West Side Story“-Tour, die Ende 2022 im Deutschen Theater über die Bühne ging, war ein triumphaler Erfolg, an den sich Münchens Musicalfans noch gut erinnern dürften (wir berichteten). Und viele werden sich die ersten Januarwochen schon rot im Kalender markiert haben, wenn die Produktion noch einmal ins Haus an der Schwanthalerstraße zurückkehrt.

Für Melanie Sierra, die Darstellerin der Maria, ist hier auch nach knapp 300 absolvierten Vorstellungen rund um den Globus nichts Routine. „Wenn man einfach nur auf Autopilot schalten würde, wäre es sowohl für das Publikum als auch für einen selbst langweilig“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. „Aber ich entdecke auch nach einem Jahr immer wieder neue Aspekte, an denen ich feilen möchte, um der Geschichte gerecht zu werden. Einen derart komplexen Charakter wie Maria über eine so lange Zeit weiterentwickeln zu können, ist ein echtes Geschenk.“

Leonard Bernsteins Partitur zählt für die US-Amerikanerin unangefochten zu den besten Werken, die jemals für den Broadway komponiert wurden – trotz anderer Lieblingsstücke von Stephen Sondheim oder Lin-Manual Miranda, in denen sie ebenfalls schon auf der Bühne stand. Sierra ist es wichtig, sich bewusst zu machen, welches Beben die „West Side Story“ 1957 in der New Yorker Theaterszene ausgelöst hat, und wie aktuell viele der verhandelten Themen bis heute leider immer noch sind. „Es ist ein Stück, von dem wir viel lernen können. Es geht um Diskriminierung von Minderheiten, Rassismus, Polizei-Willkür und Gewalt zwischen Straßengangs. Und es gibt mit Anybodys sogar eine der ersten Transgender-Figuren im Musical. Was auch daran liegen mag, dass Bernstein immer eng mit dem Queer- Underground von New York verbunden war.“

Ebenso fasziniert ist sie auch davon, wie es dem Komponisten und seinen Mitstreitern gelungen ist, die Welt der klassischen Musik und des Balletts mit dem Musical zu verschmelzen. „Ich würde mir auch heute mehr solcher Kooperationen wünschen, weil ich denke, dass wir damit neues Publikum für alle Sparten gewinnen könnten.“

Opernfans dürften in diesem Zusammenhang beim Nachnamen Sierra hellhörig geworden sein. Denn tatsächlich zählt Melanies Schwester Nadine derzeit zu den großen Publikumslieblingen der New Yorker Met und war auch bereits an der Bayerischen Staatsoper zu erleben. Klassische Ambitionen gab und gibt es bei ihr selbst nicht. „Ich fühle mich im Musical sehr wohl. Das ist meine Welt. Natürlich sind wir mit ähnlichen Eindrücken aufgewachsen. Aber während meine Schwester sich als Kind in Zeffirellis Verfilmung von ‚La Bohème‘ verliebt hat, waren es bei mir eben ‚The Wizard of Oz‘ und Judy Garland. Da war es tatsächlich ein großer Zufall, dass wir uns jetzt in Paris getroffen haben, wo sie ‚La Traviata‘ probte, während wir im Théâtre du Châtelet spielten.“

Prominenten Besuch gab es im Schatten des Eiffelturms zudem von Hollywood-Star Bradley Cooper, der die Gelegenheit nutzte, um gemeinsam mit dem „West Side Story“-Ensemble die Werbetrommel für seine auf Netflix veröffentlichte Bernstein-Filmbiografie „Maestro“ zu rühren (wir berichteten). „Als wir gehört haben, dass er sich unsere Show ansehen will, waren wir alle extrem aufgeregt. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, ihn und Carey Mulligan kennenzulernen.“ Wobei Melanie Sierra dazu eine weitere Anekdote parat hat. „Bradley hat meine Schwester in Los Angeles auf der Bühne gesehen und wollte sie für eine Nebenrolle im Film engagieren. Doch sie hatte zum Zeitpunkt des Drehs schon den Vertrag mit der Met. Dass ich ihn jetzt quasi in Vertretung für sie treffen durfte, war wieder einer dieser Zufälle im Leben.“

„West Side Story“

läuft vom 4. bis zum 14. Januar im

Deutschen Theater; Karten unter tickets.deutsches-theater.de.

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