Auf den Plakatwänden in Fußgängerzonen und Bahnhöfen ist das Thema Organspende mit einer neuen Kampagne derzeit wieder präsent. Somit scheint die Komödie im Bayerischen Hof durchaus am Puls der Zeit, stellt die aktuelle Premiere als Aufhänger doch ebenfalls die Frage, unter welchen Umständen man selbst bereit wäre, diesen Schritt zu gehen und einem anderen Menschen damit das Leben zu retten?
Stefan Vögels Schauspiel „Die Niere“ wurde 2018 in Berlin aus der Taufe gehoben und bekam nun für München mit „Herz und Niere“ einen etwas poetischeren Titel verpasst. Was nichts daran ändert, dass der Humor in dieser Tragikomödie noch immer tiefschwarz daherkommt. Denn Vögel ist ein versierter Boulevard-Autor, der in seinen Stücken gern am heiteren Familien-Idyll kratzt. Und so kommt gleich in den ersten fünf Minuten ein Osama-bin-Laden-Witz, der klarmacht, dass Vögel zum Wohle eines Schenkelklopfers wenig heilig ist.
Die Grundsituation ist schnell erklärt. Kurz vor Beginn einer Party, bei der ein neues Bauprojekt gefeiert werden soll, erfährt Architekt Arnold, dass bei seiner Frau Kathrin ein Nierenleiden diagnostiziert wurde. Er könnte sie durch eine Organspende retten, doch die Entscheidung fällt ihm nicht so leicht, wie sie es sich gewünscht hätte. Die Ankunft eines befreundeten Paares (mit ganz eigenen Problemen) entschärft die Situation nicht unbedingt, sondern treibt die drohende Eskalation eher voran. Anfangs scheinen die Rollen klar verteilt: Er, der rücksichtslose Egomane – sie, die frustrierte Ehefrau, deren Treue von ihm ohne jede Gegenleistung für selbstverständlich genommen wird. Doch ganz so einfach machen es einem Stefan Vögel und Regisseur Martin Woelffer dann zum Glück auch wieder nicht.
Neben teils arg klischeehaften Schwarz-Weiß-Malereien erlebt man zwei Menschen, die bei ihren passiv-aggressiven Wortgefechten auch mal in moralische Grauzonen abrutschen. Das gibt Katja Weitzenböck und Dominic Raacke Gelegenheit, sich nicht nur ein höchst eloquentes Pointen-Duell zu liefern, sondern ihren Figuren zusätzlich eine emotionale Komponente zu verleihen, ohne die das Stück wohl in sich zusammenfallen würde. Denn obwohl hier fast alle den belehrenden Zeigefinger heben – perfekt ist wirklich keiner in der Viererrunde. Am ehesten vielleicht noch der selbstlose Götz, den Ralf Komorr mit einer gesunden Mischung aus Augenzwinkern und Einfühlungsvermögen darstellt. Wodurch er sich so wenig zur Nebenfigur degradieren lässt wie Jana Klinge, die mit ihm das zweite Paar des Abends bildet.
Dass der große Twist zum Pausenfinale vom Publikum mit wissendem Raunen vorausgeahnt wird, fällt dank diesem starken Quartett nicht ins Gewicht. Ebenso wenig wie die neuen Konflikte, die sich im zweiten Akt ähnlich vorhersehbar entwickeln. Wohl aber, dass die wichtige Debatte zum Thema Organspende – die für viele Menschen tatsächlich eine Frage von Leben oder Tod sein kann – hier lediglich als provokanter Katalysator für eine im Grunde simpel gestrickte Beziehungskiste dient und am Ende komplett aus dem Fokus rutscht. Was die Witze, die darüber gemacht werden, im Rückblick umso zynischer und berechnender erscheinen lässt. Das Premierenpublikum war diesbezüglich aber nachsichtig und feierte das Ensemble mit langem Applaus.
Weitere Vorstellungen
bis 10. Februar; Karten unter www.komoedie-muenchen.de.