Bei uns viel zu selten zu hören: Gut, dass die Veranstalter Jacques Schwarz-Bart nach München geholt haben. © Hochkeppel
„Ich dachte, es wäre doch eine gute Idee, die alten Sachen von früher noch mal zu spielen“, meint Al Di Meola zu Beginn des Konzerts, mit dem er im Festsaal des Bayerischen Hofs den dortigen Jazz-Sommer eröffnet. Eher keine so gute Idee, muss man nach Di Meolas abgestandener Virtuositäts-Show leider feststellen.
Tatsächlich besteht das Repertoire, das er mit seinem Electric Quintet zum Besten gibt, bis auf eine Ausnahme aus den ersten drei Alben, mit denen sich Di Meola in den Siebzigerjahren an die Spitze der flinkfingrigen Griffbrettsprinter gespielt hatte. Und an Schnelligkeit hat Di Meola, der nächste Woche 70 wird, nichts eingebüßt, wie diese Zeitreise beweist, für die er sogar seine alte Gibson Les Paul aus dem Gitarrenkeller entstaubt hat.
Reichlich Staub angesetzt hat dagegen die damals neue Fusion aus Jazz- und Rockelementen, deren Klischee- und Formelhaftigkeit heute nach wenigen Stücken einen leichten Überdruss am ewig gleichen Muster erregt. Die meisten Stücke basieren im Grunde auf einem LatinFeeling, dargeboten aber als auf Überwältigung zielender instrumentaler Poser-Rock. Vier kompetente Wasserträger liefern den nötigen Unterbau für eine perfekte Show gitarristischer Kabinettstückchen, die nichts dem Zufall überlässt.
Wer gekommen war, um die vor fast 50 Jahren einstudierten Gitarren-Stunts noch einmal zu erleben, wurde bestens bedient. Wer auf eine Weiterentwicklung, eine spannende Dramaturgie gehofft hatte, aus der sich auch mal mehr ergibt als ein Schaulaufen der Eitelkeiten, musste darben.
So wurden jene vier Stücke zum überraschenden Höhepunkt, für die Di Meola nach der Pause unbegleitet zum akustischen Instrument greift, weil er hier zeigt, dass er nicht nur ein technisch brillanter Gitarrist ist, sondern auch Musik gestalten kann, wenn er sich nur mal etwas zurücknimmt – obwohl: Ganz ohne Imponiergehabe geht’s selbst bei einem Beatles-Stück nicht. Danach wird eh wieder Strom gebraucht und das effekthascherische Gegniedel nimmt von Neuem seinen Lauf. Sagen wir so: Di Meolas Musik ist ein alter Hut – aber er kann ihn tragen.
Zu später Stunde im Night Club dann ein Kontrastprogramm in jeglicher Hinsicht. Tenorsaxofonist Jacques Schwarz-Bart fusioniert, aufbauend auf den GwokaRhythmen seiner Heimatinsel Guadeloupe, die kreolischen wie jüdischen Wurzeln seiner Herkunft mit jener Dringlichkeit und Emphase, ohne die man sich in seiner Wahlheimat New York wohl nicht durchsetzen kann.
In dieser brodelnden Mixtur ist Leidenschaft statt perfektionierter Routine zu spüren, statt einer One-Man-Show dient die Virtuosität aller fünf Beteiligten einer vielfältig schillernden, facettenreichen Gruppenmusik.
Frei nach dem Festivalmotto „Loud & Proud“ (Laut und stolz): Mit Di Meola hat man zum Auftakt des Jazz-Sommers im Bayerischen Hof ein sehr lautes Ausrufezeichen gesetzt. Darauf, mit Jacques Schwarz-Bart einen eher unterschätzten und bei uns viel zu selten zu hörenden Saxofonisten präsentiert zu haben, aber können die Veranstalter wirklich stolz sein.
REINHOLD UNGER
Der Jazz-Sommer
läuft bis zum 20. Juli; Karten unter www.bayerischerhof.de.