Mein Küchengeheimnis

Kochen wie zu Luthers Zeiten

von Redaktion

von stephanie Ebner

Der bekannte Spruch „Warum rülpset und furzet Ihr nicht, hat es Euch nicht geschmecket?“ wird zwar immer mit Luther in Verbindung gebracht, stammt jedoch nicht wirklich von ihm. Der Satz ist aus dem „Grobianus“ und besagt, dass es um die mittelalterlichen Tischsitten schlecht bestellt war. Dass Luther dem Essen und Trinken zugeneigt war, beweisen zahlreiche Gemälde von Lukas Cranach d. Ä. Den Theologieprofessor und den Maler verband eine enge Freundschaft.

Diakon Rainer Fuchs ist ein Fan von Luther. Unübersehbar. Auf seiner Brust hat sich der 44-Jährige die Luther-Rose tätowieren lassen. Zu Hause, in seiner Giesinger Wohnung, läuft der Theologe kurzärmelig und mit offenem Kragen herum. Das Symbol der evangelisch-lutherischen Kirche spitzt heraus, an den Armen haben die vier Propheten in Form von Bildsymbolen ihren Platz gefunden. Wenn Rainer Fuchs dagegen in der Kirche den Talar trägt, ist von alle dem nichts zu sehen: „Tatoos und Kirche ist noch immer ungewöhnlich.“

Der Diakon liebt es, die Rollen zu tauschen. „Ich bin ein Grenzgänger“, sagt er über sich. Dass er anders ist, erleichtere ihm manchmal die Diakoniearbeit im Stadtteil. Hier arbeitet er „ganz nah an der Bevölkerung, im Sinne der sieben Werke der Barmherzigkeit“. Da sei es egal, welche Konfession, Herkunft oder Hautfarbe die Menschen haben. „Oft sind die Leute erstaunt, wenn ich erzähle, welchen Beruf ich ausübe.“ Rainer Fuchs lacht verschmitzt und rückt mit der Hand die Rockabilly-Friseur zurecht.

Die 1950er-Jahre – auch eine von Rainer Fuchs’ Leidenschaften: Seine Wohnung ist beinahe eine Nachbildung jener Zeit. Die Ess-Ecke ein Original aus den USA, auf dem Plattenspieler liegt Countrymusik von Johnny Cash. Daneben eine Christus-Statue aus Holz und gerahmte Tauf- und Konfirmationssprüche der Familie.

Wie der Reformator liebt der Diakon das gute Essen – nur beim Alkohol gibt es keine Übereinstimmung. „Ich trinke keinen Tropfen.“ Nur beim Kochen greift er zum Bier.

Fuchs und Luther, beides Überzeugungstäter. Schon mit 17 Jahren wusste der gebürtige Nürnberger, dass er Diakon werden wollte. Mit Argumenten setzte er seinen Willen schließlich bei den Eltern durch, die die sechsjährige Ausbildung zum Diakon schließlich akzeptierten. „Ihnen wäre ein Versicherungskaufmann lieber gewesen“, sagt Fuchs.

Auf Jugendfahrten hat „Reverend Ray Fox“, wie er sich nennt, einst das Kochen gelernt – „sind die Teilnehmer satt und glücklich, ist es viel einfacher, Programm zu machen“, sagt er. Fuchs genießt es zu kochen. Das entspannt ihn. Er liebt die internationale Küche, gerne darf’s auch deftig sein.

Für ein Luther-Gulasch hat er sich auch deshalb entschieden, weil man im Mittelalter das Essen gerne klein geschnitten servierte, um es mühelos löffeln zu können. Es gab viele Eintöpfe, weiß der Diakon. Selten mit Fleisch. Nicht zuletzt wegen der über 100 Fasttage, die die katholische Kirche einst im Jahr vorschrieb.

Die Probstsemeln passen hervorragend zum Gulasch, auch weil Brot im Mittelalter ein Hauptnahrungsmittel war. Heutzutage ist die Zubereitung der Beilage zugleich eine Art Resteverwertung für altbackenes Brot. „Resteverwertung – ein Problem, das vor 500 Jahren bei den meisten unbekannt war.“ Später bittet der Reverend in seinem Wohnzimmer zu Tisch. Dort hat sich Fuchs eine original amerikanische Ess-Ecke eingerichtet. Das Gulasch serviert er mit einem Theologen-Witz; „Vorsicht, es gibt nur einen Schöpfer.“ Sagt’s und greift grinsend zum Suppenschöpfer. Der Reverend beliebt zu spielen. Das kommt bei den Leuten gut an. Genauso wie das Gulasch. Das hätte der große Reformator vor 500 Jahren garantiert schmatzend verdrückt.

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