Es ist das alte Dilemma: Wir wollen möglichst lange leben, aber nicht alt sein. Oder anders ausgedrückt: Wir alle wollen zwar alt werden – aber jung bleiben. Denn ein langes Leben ohne gleichzeitige Gesundheit macht wenig Freude. Einige meiner Patienten sagen, sie möchten gar nicht alt werden. Und ich frage mich: Warum nicht? Weil wir im Alter auf nichts verzichten wollen? Weil wir Angst haben, gebrechlich zu werden?
Erstaunlicherweise gibt es Regionen in der Welt, in denen die Menschen nicht nur sehr alt werden, sondern gleichzeitig gesund bis ins hohe Alter bleiben. Die Rede ist von vier magischen Plätzen: Loma Linda in Kalifornien sowie die Inseln Ikaria in Griechenland, Sardinien in Italien und Okinawa in Japan. Während bei uns in Deutschland beispielsweise 50 Prozent der Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen versterben, sind es in diesen Regionen nur knapp zehn Prozent. In Okinawa gehen viele 90-Jährige sogar noch arbeiten.
Natürlich sterben auch diese Menschen irgendwann einmal, allerdings sind sie bis kurz vor ihrem Tod fit und gesund, nehmen aktiv am Alltagsgeschehen teil. Außerdem bleibt ihnen eine lange Leidensphase erspart. Nur das macht das Altwerden erstrebenswert. Daher beschäftigen sich Wissenschaftler mit dem Geheimnis dieser Regionen. Gibt es einen gemeinsamen Nenner, und wenn ja, können wir diesen auch auf unser Leben anwenden? Ist vielleicht die gesunde Ernährung der Schlüssel zum langen Leben?
Dann werfen wir einmal einen Blick in eine andere Region am Ende der Welt: Die im Dschungel von Bolivien lebenden Tsimane haben im hohen Alter nie mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu kämpfen. Das Rezept: Sie essen extrem fettarm. Über 70 Prozent der Energie wird aus Kohlenhydraten gewonnen, wobei in dieser „High-Carb“-Ernährung Reis, Mais, Maniok und Kochbananen die wichtigste Rolle spielen. Zudem wird nur 14 Prozent der Energie in Form von Eiweiß konsumiert – vor allem aus Fisch, seltener aus Fleisch, aber alles ist frisch und lebensmitteltechnisch unbehandelt.
Sterben müssen die Tsimane auch – und das an Infektionserkrankungen, die bei uns gut behandelbar wären. Das bedeutet, wir müssten unseren medizinischen Fortschritt in die entlegenen Zonen des Dschungels importieren. Aber würde das funktionieren? In den USA kann man beobachten, dass Kinder, die jetzt geboren werden, eine geringere Lebenserwartung haben, als diejenigen, die schon auf der Welt sind. Warum? Weil sie sich zu sehr auf den medizinischen Fortschritt im Sinne einer Vollkasko-Mentalität verlassen und nicht sorgsam genug mit dem Gut Gesundheit umgehen.
Das allerdings tun die Menschen in den vier magischen Regionen: Sie ernähren sich gesund, haben ausreichenden Zugang zum medizinischen Fortschritt und bewahren ihre Traditionen. Hier werden also die positiven Aspekte der Vergangenheit mit denen der Gegenwart kombiniert.
Ja, und dann wären da noch die Gene. Viele ruhen sich darauf aus und sagen, sie hätten einfach schlechte Gene, seien daher übergewichtig, hätten eine Neigung zu hohem Blutdruck oder Diabetes. Das ist nicht ganz richtig. Das Leben spielt einem gewisse Karten in die Hand. Dem einen bessere, dem anderen weniger gute. Aber wie wir sie ausspielen, das liegt einzig bei uns.
HERZENSSACHE
von Dr. Barbara Richartz