„Eigentlich bin ich nicht so der Kartoffeltyp.“ Der Satz klingt im ersten Moment paradox. Denn Dorothea Hatzl sitzt in diesem Moment inmitten von Zentnern von Kartoffeln. Es ist Erntezeit und die Hatzls fahren gerade die Erträge ein. „Es wird ein guter Jahrgang“, sagt ihr Mann Andreas. Er ist Kartoffelbauer aus Leidenschaft und bei seinen Kollegen für sein umfangreiches Fachwissen geschätzt. (Am Samstag, 5. Oktober, steht Andreas Hatzl auf der Oberlandausstellung, Halle R, in Weilheim zum Thema Kartoffel Rede und Antwort.)
Noch im Frühjahr habe es gar nicht nach einem guten Jahr ausgesehen, erklärt der Fachmann aus Esting (Landkreis Fürstenfeldbruck) – es war zu trocken und zu heiß. Wer nicht beregnen konnte, hatte das Nachsehen.
Auf dem Hatzlhof werden schon seit Jahrzehnten Kartoffeln angebaut. Der Großvater von Andreas Hatzl fuhr einst mit dem Pferdefuhrwerk nach München – zu den Pfanni-Werken. Als diese in den 1990er-Jahren dichtmachten, mussten sich die Bauern umorientieren. So auch die Hatzls.
„Glück im Unglück“, urteilt der Bauer heute über die Folgen der Schließung. „Wir haben damals komplett auf Bio umgestellt und uns auch komplett auf Kartoffeln konzentriert.“ Gleichzeitig habe man die Bullenzucht eingestellt. Am Anfang sei es nicht einfach gewesen, doch heute sind Dorothea und Andreas Hatzl mit Leib und Seele Kartoffelbauern, und auch Sohn Simon (12) ist schon mit Begeisterung dabei.
Für Andreas Hatzl hatte der Bauernhof schon immer seinen Reiz: „Als Kind bin ich beim Kartoffelklauben übers Feld gegangen und hatte dabei viel Zeit zum Nachdenken. Schon damals stand für mich fest, dass ich Bauer werden wollte.“
Bei Dorothea Hatzl, die ebenfalls aus einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt, sah die Sache dagegen etwas anders aus: Sie lernte Steuergehilfin und studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre. Bäuerin zu werden, war für sie keine Option. Aber weil sie sich in den Bauern Andreas verliebte, sattelte sie um – und ist „heute heilfroh darüber. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.“
Derzeit baut das Ehepaar aus Leidenschaft und Überzeugung um die 20 Sorten Kartoffeln auf 80 Hektar Land an. Denn Kartoffel ist nicht gleich Kartoffel. Die Hatzls probieren immer wieder neue Sorten aus. Sollen sie im bayerischen Raum vertrieben werden, „ist die goldgelbe Farbe des Kartoffelfleisches wichtig. Im Rest von Europa spielt die Farbe dagegen keine Rolle“, weiß der Fachmann. Es gibt außerdem festkochende, überwiegend festkochende und mehlige Sorten. Wobei es für den Kunden immer schwieriger werde, gute mehlige Sorten zu bekommen, besonders im konventionellen Anbau. Wenn überhaupt gibt es diese in Bioläden. Der Tipp vom Profi: „Gute Mehlige sind die geschmacksintensivsten.“ Besonders nach einem sonnigen Jahr, wie das heuer der Fall war.
Während sich Ehemann Andreas mit dem Anbau befasst, ist Dorothea Hatzl zuhause unter anderem für die Verarbeitung der Knolle zuständig. Es liegt auf der Hand, dass es bei so viel Kartoffeln Nudeln oder Reis eher selten zu essen gibt – „Reis kommt bei uns vielleicht einmal im Jahr auf den Tisch“, sagt sie. Dafür Kartoffeln in jeder Form. „Selten klassisch als Pellkartoffel – denn die mag ich eigentlich gar nicht.“
Kartoffeln sind bei den Hatzels weit mehr als eine Beilage: Sie sind ein eigenständiges Gericht, das mal deftig oder auch mal süß auf den Tisch kommt. „Ich probiere ständig neue Gerichte aus, so wird’s in der Küche garantiert nicht langweilig. Auch wenn die Kartoffel eben meist die Hauptrolle spielt.“ Die Bäuerin liebt es auch, ganze Menüs aus Kartoffeln für Gäste zusammenzustellen. So wie heute: Als Vorspeise serviert sie Kartoffeldips, dann Rösti zum Hauptgang und schließlich süße Schupfnudeln.
„Es kommt auf den Geschmack (und auf die Soße) an“, hat ihr einst die Mutter als wichtigsten Küchenratschlag mit auf den Weg gegeben. Daran hält sich die gebürtige Schwäbin bis heute. Die Kartoffel schmeckt an diesem Tag dreimal ganz unterschiedlich. Aber immer ausgezeichnet.
Bis in den Oktober hinein läuft die Kartoffelernte, dann geht es auf dem Hatzl-Hof ruhiger zu. Zeit zum Verreisen und Neues zu entdecken. Auch in der Küche. Wohin es als Nächstes gehen soll, weiß die Familie noch nicht genau – „da sind wir spontan“. Jetzt dreht sich erst einmal alles um den Jahrgang 2019 – der in Bayern übrigens ein guter sein soll.