„Die Menschen erbitten sich ihre Gesundheit von den Göttern, dass sie aber selbst am meisten dazu beitragen können, wollen sie nicht wissen.“ Klingt modern, dabei ist diese Erkenntnis uralt. Demokrit, ein griechischer Philosoph, stellte dies schon vor rund 2400 Jahren fest. Geändert hat sich seither wenig: Um ihre Gesundheit kümmern sich die meisten erst, wenn sie krank sind – „der Doktor“ wird es dann schon richten.
Der hat heute zwar mehr Möglichkeiten als die Ärzte der Antike. Nur: Der Körper ist kein Auto, wo sich kaputte Teile einfach ersetzen lassen. Darum sollte man sich stets um seine Gesundheitserhaltung kümmern, sagt Prof. Dieter Melchart, Leiter des Kompetenzzentrums für Komplementärmedizin und Naturheilkunde (KoKoNat) am Klinikum rechts der Isar in München. Zum Jahreswechsel verrät er, warum das nicht immer leicht ist – wie Sie es aber dennoch schaffen.
Warum fällt es uns so schwer, gesund zu leben?
Weil man Gesundsein – anders als Kranksein – nicht spürt. „Gesundheit ist ein selbstvergessener Zustand“, sagt Melchart. Ihren Wert schätzen viele erst, wenn sie sie verloren haben. Dabei könnte jeder viel für sie tun.
Was sollte man ändern, um gesund zu bleiben?
Es gibt viele Punkte, an denen man ansetzen kann – sie reichen von Ernährung über Bewegung bis hin zu Entspannung und Schlaf. Letztlich muss jeder selbst herausfinden, wo er etwas ändern sollte. Einige Tipps haben wir unten zusammengestellt.
Ist das neue Jahr eine gute Zeit für gesunde Vorsätze?
Für manche mag das zutreffen. „Wenn man spürt, dass man in seinem Leben etwas ändern sollte, ist aber jeder Zeitpunkt richtig“, sagt Melchart. „Das muss man nicht nach dem Kalender richten.“
Wie geht man es an?
Wichtiger als das Datum ist ein guter Plan: Bevor man loslegt, sollte man sich überlegen, was genau man ändern will. Ein Beispiel: Sie wollen abnehmen? Das scheitere oft schon daran, dass viele Menschen gar nicht wüssten, wie viel und bei welchen Gelegenheiten sie essen und wie viel sie sich bewegen, sagt Melchart. Das finden Sie heraus, indem Sie ein bis zwei Wochen lang alles aufschreiben: Was essen Sie wann und wie viel davon? Und: Wie viel bewegen Sie sich? Dabei können Handy-Apps helfen, aber auch Zettel, Papier und ein mechanischer Schrittzähler.
Was kommt als Nächstes?
Fassen Sie einen Vorsatz, der realistisch, konkret und –ganz wichtig – in der Ich-Perspektive formuliert ist. Überlegen Sie zum Beispiel, auf welche Lebensmittel Sie künftig verzichten wollen oder wie viele Schritte Sie pro Tag mehr gehen möchten (siehe unten). Was als Vorsatz nicht funktioniert: Man sollte sich besser ernähren. „Das ist eine Formulierung, bei der der innere Schweinehund praktisch schon gewonnen hat“, warnt Melchart. Auch der Vorsatz „Ich nehme ein paar Kilo ab“ wird scheitern – er ist nicht konkret genug.
Klingt anstrengend. Und was ist mit Entspannung?
Entspannung ist natürlich wichtig – und gegen ein Wochenende im Wellnesshotel sei auch nichts einzuwenden. Nur: „Entspannung allein ist nicht die Lösung“, sagt Melchart. Nur wer seinen Körper auch fordert, hält ihn gesund: Denn so hat er die Chance, sich allmählich an Belastungen anzupassen. Damit gewinnt er an Widerstandskraft und wird leistungsfähiger. Dann kommen Sie auch nicht mehr so schnell aus der Puste, wenn Sie nächstes Mal der Tram hinterherlaufen.
Aber zu viel ist doch auch nicht gut?
So ist es. Melchart erklärt das Prinzip mit dem Bild eines Bergsteigers: Packt er sich den Rucksack zu voll, kommt er nicht auf den Berg. Ist der Rucksack dagegen leer, steigt er zwar flott voran. „Nur dann hat er auf dem Weg nichts, von dem er zehren kann.“ Wichtig ist also, die Balance zwischen Kräftigung und Erholung zu finden. „Ein wichtiges Wirkprinzip der Salutogenese“, sagt Melchart.
Was ist damit gemeint?
Als Gegenstück zur „Pathogenese“, der Lehre von der Entstehung der Krankheiten, befasst sich die „Salutogenese“ mit der Frage, wie Gesundheit entsteht und was sie erhält. Den Begriff hat der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky in den 1980er-Jahren populär gemacht. Die Idee dazu ist aber uralt: Schon die alten Griechen wussten, dass es eine Kunst ist, „díaita“, also ein gesundes Leben zu führen. Bereits zur Zeit des berühmten Arztes Hippokrates habe man sich damit befasst, sagt Melchart. Davon leite sich auch der Begriff der „Diät“ ab. Ursprünglich war mit „díaita“ aber die Kunst einer gesunden Lebensführung gemeint. „Auch Atmung, Bewegung und seelische Ausgeglichenheit gehörten dazu“, sagt Melchart. „All das war damals bereits als Grundlage der Gesundheit bekannt.“
Und wie ist das heute?
Das alte Wissen habe sich in vielen traditionellen Heilsystemen, etwa dem indischen Ayurveda, der chinesischen Medizin und in der europäischen Naturheilkunde, erhalten, sagt unser Experte. Maßnahmen zur Gesunderhaltung spielten darin bis heute eine wichtige Rolle. Anders als im modernen Gesundheitssystem, das leider sehr stark auf Krankheiten und deren Behandlung ausgerichtet sei. „Das ist ein großes Defizit“, beklagt Melchart.