Beinahe vergessene Köstlichkeiten

von Redaktion

VON STEPHANIE EBNER

„Der Bröselhafer ist der Vorgänger von Pommes“, stellt Bäuerin Ursula Fiechtner die These auf. Als Kind hat die heute 57-Jährige diese Speise oft genossen. Wenn sich die Großmutter an den Herd stellte und in der Eisenpfanne den Bröselhafer rührte, war die Vorfreude bei Ursula Fiechtner groß. „Meine Leibspeise früher“, schwärmt sie. „Wir Kinder haben dieses Gericht geliebt.“ So wie die heutigen Kinder Pommes lieben.

Ganz so weit hergeholt ist dieser Vergleich nicht: Der Bröselhafer besteht zum größten Teil aus Kartoffeln.

Trotzdem geriet das Essen mit den Jahren in Vergessenheit. Heute muss man lange suchen, bis man jemanden findet, der sich an das Gericht erinnert und es zudem auch noch kochen kann.

Bröselhafer hieß es im Tölzer Raum, andere kennen das einfache Essen aber auch als Kartoffelschmarrn, Kartoffelwirler, Bröslschmarrn oder Bröselbart. Auch in der österreichischen Küche ist es bekannt, als Erdäpfelschmarrn. Teils wird er auch als Beilage vor allem zu Fleischgerichten gereicht. Ursula Fiechtner serviert den Bröselhafer wie einst gerne mit Apfelmus, „die Männer lieben die deftigere Variante mit Speck und Wammerl, dann ist es aber schon ein Festtagsessen“, wie die Bäuerin sagt. Früher war der Bröselhafer dagegen ein Fastenessen.

Beim Teigherstellen sollte man beachten, dass man ihn nicht knetet, sondern bröselt und zudem mit Salz nicht spart – „die Kartoffel schluckt das Salz“.

Traditionell wird der Bröselhafer in der Eisenpfanne in viel heißem Schmalz geröstet. Veganer nehmen Pflanzenfett. „Ganz wichtig ist, dass man ihn ständig rührt. Das geht in die Arme“, lacht die Bäuerin. Wer es sich einfacher machen will, schiebt den Bröselhafer in einer Reine in den Ofen – „dann macht sich der Bröselhafer fast von selbst“. Der Vorteil der Ofen-Variante: Man kommt mit wesentlich weniger Fett aus.

Weil die Kartoffeln am Vortag gekocht und durchgedrückt gehören, glaubt Ursula Fiechtner, dass das Gericht deshalb in Vergessenheit geraten ist – „viele planen heute nicht mehr voraus, was es in den nächsten Tagen zum Essen geben soll“.

Vielleicht hat sich das in den Zeiten von Corona geändert, überlegt die Bäuerin. Gerade ganz einfache Gerichte, die mit wenigen Zutaten auskommen, erleben derzeit eine Renaissance. Das freut Ursula Fiechtner, die selbst seit Ewigkeiten zum ersten Mal wieder den Bröselhafer in der Pfanne rührt.

Eigentlich hatte Ursula Fiechtner Kinderpflegerin lernen wollen – „ich hatte sogar den Ausbildungsplatz schon“. Doch dann wurden die Eltern krank, und Ursula Fichtner musste voll einspringen. „Diese drei Tage waren ein Schlüsselerlebnis“, sagt sie rückblickend. Ursula Fiechtner entschied sich dann doch noch für den Beruf der Bäuerin. Sie machte die Lehre in der ländlichen Hauswirtschaft – „allerdings habe ich durchgesetzt, dass ich auf einem anderen Betrieb meine Lehre machte“.

Heute ist sie mit Leib und Seele Milchbäuerin und ist sogar als Orts- und Kreisbäuerin aktiv. „Das hätte ich mir nie vorstellen können, dass mich das Ehrenamt so erfüllt.“

Sie sitzt vor ihrem Hof, an dem der Isarradweg vorbeikommt, vor ihr liegt das Tölzer Land, der Bröselhafer steht in der Reine auf dem Holzstoß. So wie früher. Und dann fällt Ursula Fiechtner noch ein: „Wenn bei der Großmutter vom Bröselhafer etwas übrig blieb, diente er am nächsten Tag als Einlage für die Brennsupp’n.“ Doch dazu kommt es diesmal nicht. Der Bröselhafer schmeckt einfach zu gut.

Es wäre wirklich schade, wenn das Gericht einst ganz in Vergessenheit gerät, sind sich später zu Tisch alle einig.

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