Selbst der beste Businessplan wäre in diesem Jahr nicht aufgegangen. Und das liegt nicht daran, dass Stefanie Seybold nicht gut rechnet. Das Gegenteil ist der Fall, sie kann mit Zahlen bestens umgehen, ist studierte Diplom-Mathematikerin und arbeitete viele Jahre als Aktuar für die Münchner Rückversicherung. „Da powert man sich tagsüber geistig aus, aber man macht nichts mit den eigenen Händen“, sagt die 42-Jährige. Dieses Gefühl hat ihr all die Jahre gefehlt.
Bis sie schließlich die Gelegenheit beim Schopf packte und ihren Lebenstraum vom eigenen Café in die Tat umsetzte. Doch bis die Mathematikerin mit der Leidenschaft zum Backen die Tür zu ihrem „Dolcilicious“ aufsperren konnte, musste sie einige Hürden überwinden – die letzte hieß Corona. Die Eröffnung des Cafés war für den 1. April geplant. Doch daraus wurde bekanntlich nichts.
Mit einigen Wochen Verspätung steht sie heute in der Agnesstraße in Schwabing in ihrem Reich, der Elisabethmarkt ist um die Ecke (Öffnungszeiten dienstags bis freitags von 14 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr).
Pastellfarben dominieren, es gibt sogar eine kleine Spielecke für ihre kleinen Gäste. Eine Wohlfühloase für Naschkatzen. Stefanie Seybold erklärt ihr Konzept: „Seit ich selbst Mama bin, weiß ich nämlich, wie rar das Angebot an kinderfreundlichen Cafés ist. Und dass es noch schwieriger wird, wenn man sich zusätzlich mit.veganen Freunden treffen will.“ Deshalb gibt es bei ihr jetzt für jeden was. Wer zurzeit noch keine Lust hat, sich ins Café zu setzen, der kann auch Kuchen zum Mitnehmen holen oder online ganze Kuchen bestellen. Für die Schüler des nahen Giselagymnasiums hat sie Schokobrötchen.
Normalerweise bäckt sie in der Backstube, für uns bäckt Stefanie Seybold in der gegenüberliegenden Wohnung. Der Schriftzug „Backen macht glücklich“ hängt in der Küche, ihrem Reich in Pink, Weiß und Grau. Strahlend bindet sich die Café-Besitzerin eine Schürze um. Diese haben ihr Freundinnen vor zehn Jahren geschenkt und damals zu ihr gesagt: „Damit sehen wir dich eines Tages in deinem eigenen Café stehen und Kuchen verkaufen.“ Sie sollten Recht behalten.
Ein Jahr hat Stefanie Seybold auf das „Dolcilicious“ hingearbeitet. Sie hat bei der Industrie- und Handelskammer ein Existenzgründer-Seminar absolviert und da erst erfahren, dass der Begriff Konditor meistergeschützt ist. Einen Konditor braucht man, sobald man außer Haus verkaufen möchte oder etwas raffiniertere Gebäcke anbieten möchte. „Das hieß für mich, einen Konditor einzustellen oder bei der Handwerkskammer eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.“ Die Prüfung hat es in sich. Jeder Zweite fällt durch.
„Ich habe geflucht“, gesteht Stefanie Seybold, „und mich akribisch darauf vorbereitet“. Weil sie in dieser Zeit so oft eine Prinzregententorte gebacken hat, steht diese zurzeit nicht mehr auf dem Programm. „Ich kann keine Prinzregententorte mehr sehen“, gesteht sie.
Das macht nichts. Ihr Repertoire ist groß – „Backen war schon immer eine große Leidenschaft von mir“. Auch beim Backen sucht sie die Rezepte nach den Jahreszeiten aus – jetzt im Sommer liebt Stefanie Seybold die Kombination aus Schokolade und Beeren. „Himmlisch.“ Dass sie mittlerweile auch jede Menge vegane Kuchen in ihrem Sortiment hat, kam eher zufällig. Ich lebe nicht vegan, aber ich versuche – auch für meine kleine Tochter – Kuchen ohne viel Zucker herzustellen. Die Chocolate-Chip-Cookies finden trotzdem reißenden Absatz. Denn eins ist Stefanie Seybold wichtig: Küchen und Gebäck müssen Genuss sein. Und das sind sie. Egal, ob sie nun vegan sind oder nicht.