Tatort Küche: Mörderisch gut

von Redaktion

VON STEPHANIE EBNER

„Den letzten Gang serviert der Tod“ lautet der Titel von Jörg Maurers neuestem Werk. Diesmal ist der „Club der Köche“ verdächtig. Wo also ist die ideale Örtlichkeit, um über den neuesten Jennerwein-Fall zu reden? In einer Küche, besser noch am Herd von Jörg Maurer in Garmisch, wo er seit zehn Jahren wieder wohnt.

„Hier habe ich mir alle meine Wünsche verwirklicht“, sagt der Gourmet, der sich das Kochen als Autodidakt beigebracht hat. „Meine Mutter hat mich immer aus der Küche gescheucht, von ihr konnte ich mir nichts abschauen.“ Mittlerweile ist er ein leidenschaftlicher Hobbykoch, „einem Club der Hobbyköche“, wie es mittlerweile zahlreiche gibt, gehört er trotzdem nicht an. Aber: „Eine Überlegung wäre es wert“, sagt er grinsend.

Tatort Küche: Zig Messer sind ordentlich im Messerblock verräumt, Jörg Maurer wetzt ein großes Messer. „Für den Kürbis brauche ich scharfe Waffen.“ Er will heute ein Pastagericht mit herbstlichen Gemüsen und exotischen Gewürzen zubereiten. „Das habe ich aus Apulien mitgebracht.“

Jörg Maurer liebt es zu kochen, „am liebsten zusammen mit meiner Frau, manchmal auch allein“. Und: „Wenn ich an einem neuen Buch sitze, bevorzuge ich Schmorgerichte.“ Ochsenbackerl sind in dieser Zeit ein Klassiker bei den Maurers, „das setzte ich in der Früh an. Dann kann das Gericht den ganzen Tag ziehen, während ich am Schreibtisch sitze.“ Und wenn ihm zwischendurch mal nichts einfällt – auch das kommt mal vor – steht der Schriftsteller auf, geht an seiner immensen Kochbuchsammlung vorbei, macht 20 Schritte Richtung Küche und rührt mit einem Holzlöffel im Topf. „Mein Jennerwein-Ritual.“ Danach sprudeln meistens neue Ideen.

Sobald die Hälfte des Romans steht, wird Bergfest gefeiert – mit aufwendigen Gerichten, das versteht sich von selbst. „Mein Metzger kennt mich schon“, erzählt Jörg Maurer lachend. Der Autor probiert alles aus: Selbst Bratwürste hat er schon mal selbst gemacht. „Das ist allerdings eine Heidenarbeit.“

Jörg Maurer schätzt Krimis. Das war schon in den 1970er-Jahren so – damals waren Kriminalgeschichten allerdings nicht salonfähig. Seine Bände von Patricia Highsmith hielt der Germanistik-Student vor den Augen der Kommilitonen versteckt. „Im Hölderlin-Seminar wäre das nicht gut angekommen.“ Über das Versteckspiel kann Jörg Maurer heute herzhaft lachen.

Nach dem Studium wurde Maurer kurz Lehrer, weil er sich mit dem Bierernst dort nie anfreunden konnte, verwarf er die Beamtenlaufbahn und pflegte in den Jahren darauf als Kabarettist die Kleinkunst, meist im Herzen von Schwabing, oft aber auch auf Tourneen.

Auf Reisen genießt er es, sich ins Café zu setzen und den Leuten aufs Maul zu schauen. „Das hat mich schon zu manch einer Figur inspiriert.“ Am besten funktioniere diese Herangehensweise im Ausland, wenn man die Sprache nicht versteht: „Dann kann ich in die Mimik und Gestik alles hineininterpretieren.“ In Zeiten von Corona bleibt Jörg Maurer allerdings meist in Garmisch, wo er auch aufgewachsen ist. Leserreisen finden keine statt. Genug Zeit zum Nachdenken: Der nächste Jennerwein ist schon in Arbeit.

68 Stufen führen von der Terrasse den Hang hinauf. Auf einem Freisitz hat sich der Autor eine mobile Schreibstube eingerichtet: hier stehen ein Liegestuhl und ein Sonnenschirm. In diesem Refugium stört ihn keiner. Der Blick wandert dort oben über das Karwendelgebirge, von weit unten hört man die Loisach rauschen und ein paar Schulkinder auf ihrem Heimweg lachen. Ein wunderschöner, beinahe magischer Ort, an dem der Plot für den Jennerwein und dessen skurrile Typen entsteht.

Stundenlang kann Jörg Maurer dort sitzen, nur der Hunger lockt ihn irgendwann wieder hinunter. In Schreibphasen muss es schnell gehen, die Nudeln mit Wirsing und Kürbis passen da ideal. Außerdem spart man bei diesem Gericht nicht mit exotischen Gewürzen. Genau nach Maurers Geschmack.

Die Küche ist einfach der beste Tatort.

Artikel 4 von 4