Allein in Deutschland landen pro Jahr etwa 200 000 Patienten wegen einer Meniskusverletzung unterm Messer. „Es ist die häufigste Knie-OP – noch vorm Gelenkersatz“, sagt Dr. Manuel Köhne, Kniespezialist der OCM-Klinik in München-Sendling und leitender Mannschaftsarzt der deutschen alpinen Ski-Asse.
Er hat derzeit gut zu tun. „Gerade jetzt im Lockdown lassen sich viele Patienten am Meniskus operieren“, sagt er. „Zum einen sehen wir derzeit viele Münchner, die sich angesichts geschlossener Fitnessstudios beim Joggen den Meniskus lädiert haben. Zum anderen nutzen viele Patienten das Homeoffice, um ihrem Bein nach der OP ohne Arbeitsweg mehr Ruhe zu gönnen.“ Hier erklärt er, worauf es dabei ankommt.
In vier von fünf Fällen reißt der Meniskus verschleißbedingt („degenerativer Schaden“). Nur bei etwa jedem Fünften geht die halbmondförmige Knorpelscheibe bei einem Unfall kaputt, zum Beispiel bei Stürzen oder beim Sport. Passiert das beim Skifahren oder Fußball, erwischt es meist auch das Kreuzband.
Wesentlich häufiger sind Meniskusschäden, die bei vermeintlich harmlosen Aktivitäten entstehen. „Der Klassiker sind Bewegungen aus der Hocke heraus, beispielsweise beim Anheben einer Getränkekiste oder eines Wäschekorbes“, sagt Köhne. Oft nimmt der Meniskus dabei Schaden, ohne dass es der Betroffene sofort bemerkt.
So erging es auch Köhnes Patienten Holger Hummel (42) – und das gleich zwei Mal: Sein linkes Knie begann nach einer Hockbewegung beim Rasenmähen zu zwicken, das rechte meldete sich eineinhalb Jahre später nach einem langen Spaziergang. In beiden Fällen konnte er sich die Schmerzen nicht so richtig erklären. Sie verschlimmerten sich schleichend über einige Tage. In beiden Fällen landete der BMW-Ingenieur aus München letztlich unterm Messer. Diese Doppelung sei nicht ungewöhnlich: „Wenn sich die Menisken verschleißbedingt abnutzen, sind oft beide Kniegelenke betroffen.“
Dabei erwischt es die Innenmenisken etwa zehn Mal öfter als die Außenmenisken. Der Grund: „Der Innenmeniskus ist mit dem Innenband verwachsen, bekommt also den gesamten Druck ab, während der Außenmeniskus kleiner und wesentlich mobiler ist“, so der Kniespezialist.
Warum aber bekommen so viele Probleme mit den Menisken? „Vereinfacht erklärt kann man sich das vorstellen wie bei den Stoßdämpfern eines Autos“, erklärt Köhne. „Auf ihnen lastet enormer Druck. Deshalb ist die Gefahr relativ groß, dass sie irgendwann mal verschleißbedingt kaputtgehen.“
Beim Meniskus beginnt es oft mit einem kleinen Einriss, der durch eine ungünstige Bewegung größer oder tiefer wird. Verklemmen sich ausgerissene Gewebefransen im Gelenk, kann diese Blockade Schwellungen und teils heftige Schmerzen verursachen. In der Regel kommen Patienten mittelfristig nicht um eine OP herum, meist wird der eingeklemmte Meniskusanteil entfernt („Teilresektion“).
Grundsätzlich hat sich die Strategie aber verändert: Hat man lädierte Gewebeanteile früher relativ großzügig weggeschnitten, gilt heute „Rette so viel Meniskus wie möglich!“ Köhne erklärt: „Wenn größere Teile des Meniskus gelöst sind, schädigen diese früher oder später die Oberfläche des Knorpels.“ Dadurch könnten nach einigen Wochen Knorpelschäden und bei langem Abwarten Knorpelentzündungen entstehen. „Knorpel wird bei uns das weiße Gold genannt. Er schützt das Gelenk vor Arthrose. Man sollte um jeden Millimeter kämpfen.“ Ohne funktionsfähige Menisken ist das Risiko stark erhöht, später einmal ein künstliches Knie zu brauchen.
Deshalb versuchen Operateure heute mitunter, den gerissenen Meniskus zu nähen. Die Erfolgsaussichten hängen davon ab, wann operiert wird und wo sich der Defekt befindet. „Gute Chancen bestehen in der Regel bei frischen Verletzungen und dann, wenn der Meniskus an seiner sogenannten Basis gerissen ist“, sagt Köhne. Zum Problem kann die schlechte Durchblutung der Knorpelscheibe werden, da das geflickte Gewebe an manchen Stellen so nur schwer einheilen kann. „Deshalb sollte man genau prüfen, ob eine Naht sinnvoll ist“, rät Köhne. Zumal der Patient – anders als nach einer Teilresektion – zwei bis sechs Wochen mit Gehstützen laufen muss. „Wenn am Ende trotz der deutlich längeren Reha-Phase die Naht reißt und der Patient erneut unters Messer muss, dann hat man ihm schlimmstenfalls einen Bärendienst erwiesen.“
Um den Schaden analysieren zu können, bedarf es neben einer gründlichen händischen („klinischen“) Untersuchung einer Magnetresonanztomografie (MRT). „Auf den Bildern zeigen sich unter anderem Länge und Lage des Risses.“
Die OP selbst ist verglichen mit anderen Eingriffen am Knie keine größere Sache. „Die Komplikationsrate liegt im Promillebereich“, beruhigt Köhne. „Man kann den Eingriff ambulant durchführen lassen und die Klinik bereits nach einigen Stunden wieder verlassen.“ Ein erhöhtes Corona-Risiko sieht Köhne nicht. „Weil man nicht in der Klinik übernachtet, kommt man kaum mit anderen Patienten in näheren Kontakt.“ Ärzte und OP-Schwestern würden regelmäßig auf eine Sars-CoV-2-Infektion getestet, einige seien bereits geimpft.
Der Eingriff selbst dauert nur 15 bis 30 Minuten und erfolgt in der Regel in Vollnarkose. „Sie ist recht kurz und damit meist gut verträglich“, sagt Köhne. „Ich habe mich danach sofort wieder fit gefühlt und konnte schon nach wenigen Tagen wieder ohne Krücken schmerzfrei gehen“, bestätigt Patient Hummel.
Dass die meisten Betroffenen wie er so schnell wieder auf die Beine kommen, liegt an der minimalinvasiven OP-Technik. Menisken werden heute wie die allermeisten Knieverletzungen arthroskopisch operiert: Der Operateur setzt dabei wenige winzige Hautschnitte, um auf kleinstem Raum filigrane Instrumente und eine Art Minikamera („Optik“) ins Gelenk zu transportieren. „Dabei entstehen praktisch keine Schwellungen, jedenfalls dann nicht, wenn das Gelenk vorher nicht zu stark gereizt war.“ Deshalb sei es für ein optimales Ergebnis meist sinnvoll, wenn nicht zu lange mit einem starken Reizzustand im Knie abgewartet werde.
Hummel hat seine zweite OP gerade hinter sich. Wenn es die Corona-Lage zulässt, könnte er in sechs Wochen wieder Ski fahren. „Sollte uns das Virus einen Strich durch die Rechnung machen, freue ich mich aufs Inlineskating und aufs Radeln“, sagt er. An seine Meniskusverletzungen dürften ihn dann nur noch ein paar winzige Narben erinnern. ANDREAS BEEZ