„Wo hatte ich da bloß wieder meinen Kopf?“ Hadern Sie auch öfter mit Ihrem trägen Hirn? Sich besser konzentrieren können, schneller schalten, bis ins hohe Alter geistig fit und gesund bleiben – wer träumt nicht davon? Die gute Nachricht: Sie können Ihrem Hirn tatsächlich auf die Sprünge helfen. „Jeder Mensch hat die Möglichkeit, sein Gehirn zu verändern. Egal, wie alt Sie sind und wie Sie bisher gelebt haben.“ Das schreibt die US-Neurowissenschaftlerin Dr. Kristen Willeumier in ihrem neuen Buch „Biohacking fürs Gehirn“ (mit Sarah Toland, millemari Verlag, 2021, 24,95 Euro). Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erklärt Sie darin, wie Sie den geistigen Turbo zünden. Hier verraten wir Ihnen einige ihrer Tipps.
„Biohacking“ – was ist damit gemeint?
Wer geistig fit bleiben will, sollte sich hirngesunde Gewohnheiten zulegen – und diese konsequent durchhalten. Achtet man auf Details, lässt sich noch mehr herausholen. Das meint die Autorin mit „Biohacking“. Am besten fängt man mit der Hirnpflege schon in seinen Dreißigern oder Vierzigern an. Vollständig ausgereift ist das Gehirn nämlich mit 30 Jahren. Danach verlieren wir „jeden Tag bis zu 85 000 Gehirnzellen pro Tag“, sagt Willeumier.
Lässt sich das Hirn im Alter noch verändern?
Aber ja. Anders als lange gedacht, können sich auch bei Erwachsenen noch neue Gehirnzellen bilden. „Neurogenese“ nennt man diesen Prozess. Wer einfache Tipps (Kasten rechts) beherzigt, kann ihn sogar im Alter noch in Gang bringen. „Je mehr gesunde, neue Zellen Sie haben, desto schneller und effektiver können Sie kluge Entscheidungen treffen, desto besser können Sie sich konzentrieren, Dinge im Gedächtnis behalten“, verspricht Willeumier. Neues zu lernen, verändert auch die Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Auch diese „Neuroplastizität“ des Gehirns ist wichtig.
Warum Dauerstress dem Hirn schadet
Kurzzeitiger Stress, etwa bei einer Prüfung, kann wacher und konzentrierter machen. Dauerstress schadet dem Gehirn jedoch. Er verlangsame die Durchblutung, fördere Ablagerungen und lasse Blutgefäße im Hirn starr werden, warnt die Expertin. Chronischer Stress raubt dem Hirn zudem die Energie, die es braucht, um neue Hirnzellen zu bilden – und kann die Zellen sogar absterben lassen. „Stress hat tiefgreifende Wirkungen auf die Struktur und Funktion des Gehirns“, warnt Willeumier. Er lässt Nervenzellen hyperaktiv werden und führt zu strukturellen Veränderungen des Gehirns. Diese bestehen noch, wenn der Stress bereits nachlässt.
Warum kommt es auf die Durchblutung an?
Das Gehirn zieht allein rund 15 bis 20 Prozent der Blutversorgung ab. Der Grund: Blut liefert frischen Sauerstoff und Zucker nach – und der Bedarf ist gewaltig. Das Hirn verbrauche drei Mal so viel Sauerstoff wie die Muskulatur und satte 40 bis 60 Prozent des Blutzuckers. Die Durchblutung des Gehirns zu erhalten und zu fördern, ist darum zentral, um dieses gesund und fit zu halten. Dabei hilft Sport – und eine gesunde Ernährung. Diese sollte pflanzenbetont sein, mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten, gesunden Ölen, Saaten, Fisch und wenig Fleisch. Vollkornprodukte versorgen das Gehirn gleichmäßig mit der nötigen Energie – und liefern Ballaststoffe. Das freut den Darm und fördert ein gesundes „Mikrobiom“, also eine günstige Zusammensetzung der Bakterien, die darin leben – auch das ist günstig für das Gehirn. Darm und Nervensystem stehen in engem Austausch, wie man noch gar nicht so lange weiß.
Warum schadet zu viel Fett auch dem Hirn?
„Ein Zuviel an Körperfett hat ernste Folgen für die Gesundheit des Gehirns“, warnt Willeumier. Fettzellen setzen ihr zufolge Schadstoffe frei, die mit dem Blut ins Hirn gelangen. Dort vermindern sie die kognitive Leistungsfähigkeit. In einer Studie hat die Autorin herausgefunden, dass bei Übergewichtigen und Fettleibigen die Durchblutung im „präfrontalen Cortex“ reduziert ist. Diese Hirnregion ist aber sehr wichtig für das Denken.
Was bringt Gehirnjogging?
Täglich Kreuzworträtsel zu lösen, bringt wenig. Der Grund: Das Gehirn liebt Abwechslung. Willeumier rät daher, neugierig zu bleiben und geistige Herausforderungen zu suchen, etwa eine neue Sprache oder ein Musikinstrument lernen. Kreative Hobbys wie Zeichnen und Basteln helfen zugleich beim Entspannen. Um altersbedingtem Abbau entgegenzuwirken, rät die Autorin gar zu einem Ehrenamt – ein Tipp eher für die Zeit nach Corona.
Warum Sie viel und das Richtige trinken sollten
Das Gehirn besteht zu 75 Prozent aus Wasser. Damit es optimal funktioniert, braucht es Nachschub. Am besten sei stilles Wasser. Die Trinkmenge richtet sich nach Größe, Aktivität und vielen anderen Faktoren. Ob man genug getrunken hat, lässt sich am Urin ablesen: Ist dieser strohgelb oder heller, sei man optimal mit Flüssigkeit versorgt, so die Expertin. Übrigens: Für mehr Geschmack kann man etwas frischen Zitronensaft ins Wasser geben. Beim Sport rät sie zu dem Wasser, das in der Kokosnuss steckt: Es ersetzt Mineralstoffe, die der Körper beim Schwitzen verliert, enthält aber keinen Zucker – anders als manche Sportgetränke.
Warum bringt Sport auch das Hirn auf Trab?
Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns. Speziell Ausdauersport helfe zudem, mehr „graue Substanz“ im Gehirn aufzubauen – und die ist wichtig für das Denken. Joggen sei dabei geradezu ein Alleskönner, am besten am Morgen und draußen: Das Tageslicht synchronisiere den Biorhythmus, die gleichmäßige Bewegung und das Grün der Natur entspannen. Bei der Arbeit könne man sich später besser konzentrieren – und abends gut einschlafen. Denn auch Schlaf, mindestens sieben Stunden, sei für das Hirn wichtig. Bewegung könne sogar helfen, Gehirnvolumen und geistige Fähigkeiten in frühen Demenzstadien länger zu erhalten. Bei Parkinson-Patienten könnte Radfahren wiederum die Verbindungen im Hirn stärken, die durch die Krankheit gestört werden – und so die Lebensqualität verbessern. Wie hilfreich das ist, hat Willeumier bei ihrem eigenen Vater beobachtet, der an Parkinson erkrankt war, aber sehr aktiv blieb: „Die Übungen halfen seinem Körper, sich zu entspannen, sodass das Zittern nachließ.“ ANDREA EPPNER