München – Sie denken, Spazierengehen hat mit Sport rein gar nichts zu tun, ist langweilig und sinnlos? Ihr Körper ist da ganz anderer Meinung: Homeoffice und Corona haben das ohnehin schon recht ausgeprägte Stubenhocker-Syndrom der Deutschen noch einmal drastisch verschärft. Fakt ist: Wir sitzen zu viel. Die Folgen zeichnen sich unvorteilhaft in der Kleidergröße und vor allem in unseren Gesundheitswerten ab. Jedes Jahr sterben allein in Deutschland eine Million Menschen an den Volkskrankheiten Übergewicht, Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Von Rückenproblemen ganz zu schweigen. Der Münchner Arzt Dr. Milan Dinic – Internist, Kardiologe und Sportmediziner – verordnet seinen Patienten darum das Spazierengehen als Medizin. „Durch regelmäßige, am besten tägliche Bewegung kann jeder sein Risiko senken und die Lebensqualität verbessern.“ Und: Jeder einzelne Schritt zählt. „Schon zehn Minuten zügiges Spazierengehen pro Tag fördern die Gesundheit und die Lebensqualität“, so Dr. Dinic.
Wie die einfachste und günstigste Sportart der Welt Ihr Leben verändern kann:
. Bloß keinen Zeitstress: Das Schöne an Ihrem neuen Hobby ist: Sie müssen sich noch nicht mal an einen Zeitplan halten, können zu jeder Tages- und Nachtzeit einfach losgehen. Dr. Dinic empfiehlt : „Integrieren Sie den Spaziergang fest in Ihren Tag. Die Zeit nach dem Mittagessen bietet sich an. Da tanken Sie Sonnenlicht und somit Vitamin D.“
. Erholung für die Seele: Eine Studie des Robert-Koch-Instituts bewies: Bewegung kann die Symptome psychischer Krankheiten wie Depressionen nachhaltig lindern. Zusätzlich reduziert Bewegung das Risiko, an Depressionen zu erkranken. Dr. Dinic: „Es geht nicht um Superlative. Auch der regelmäßige Spaziergang fördert die Entspannung. Man kommt zur Ruhe. So beugen Sie stressbedingten Erkrankungen wie dem Burn-out vor.“
. Neue Kraft fürs Herz: „Ein regelmäßiges moderates Training ist ein wirksames Medikament für Menschen mit Erkrankungen wie Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und Koronarer Herzkrankheit“, betont Dr. Dinic. „Der tägliche zügige Spaziergang lindert die Symptome, verbessert die Leistungsfähigkeit des Herzens und kräftigt den Herzmuskel.“ Konsequente moderate Bewegung kann die Überlebenschancen bei Herzschwäche deutlich erhöhen. Das Herz arbeitet effizienter, der Ruhepuls sinkt. Die Durchblutung steigt im gesamten Körper. Eine starke Muskulatur erleichtert dem Herz die Arbeit. Die Aufnahme von Sauerstoff erhöht sich. Das Herz profitiert von der Gewichtsreduktion.
. Ein normaler Blutdruck: Bis zu 30 Millionen Erwachsene in Deutschland haben einen zu hohen Blutdruck und damit ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenschäden. Dr. Dinic: „Ein optimaler Blutdruck liegt unter 120/80 mmHg. Bereits zehn Minuten zügiges Spazierengehen täglich können erhöhten Blutdruck senken und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich reduzieren.“ Entscheidend ist die Regelmäßigkeit: „Übernehmen Sie sich am Anfang nicht. Gehen Sie lieber täglich zehn Minuten statt zwei Mal wöchentlich 30 Minuten.“ Denn: „Je höher die Hürde, umso größer ist die Gefahr, dass man bald wieder aufgibt.“
. Diabetes-Prävention: „Diabetes Typ 2 ist kein Schicksal, sondern eine Frage des Lebensstils. Bewegung ist hierbei ein entscheidender Faktor“, mahnt der Internist. Spazierengehen als Einstieg ist ideal. Regelmäßiges Training kann den Blutzuckerspiegel senken. Wichtig: Für Diabetiker spielt der Zeitpunkt eine Rolle. Studien haben gezeigt, dass ein Spaziergang nach dem Essen wirksamer ist als zuvor. „Wichtig ist, dass man zügig geht und etwas ins Schwitzen gerät.“ Mit konsequenter, täglicher Bewegung können Diabetiker ihre Blutzuckerwerte oft so weit verbessern, dass sie weniger oder keine Medikamente mehr benötigen. Die Insulinresistenz wird verringert, das Immunsystem gestärkt, Fettgewebe abgebaut. Und: Bewegung beugt bereits der Entstehung der Zuckerkrankheit vor!
. Spaziergänger leben länger: Sport und Bewegung können die Lebenserwartung entscheidend verlängern –im Schnitt um 12,4 Jahre! Dies zeigte 2015 die EPIC-Studie mit mehr als 330000 Teilnehmern aus zehn Ländern Europas. Wer sich nur moderat bewegt – wie täglich etwa 20 Minuten zügig Spazierengehen kann sein Risiko für einen vorzeitigen Tod schon um 20 bis 30 Prozent senken.
. Erst mal zum Test: Risiko-Patienten mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes sollten sich vor Beginn des Trainings – dazu zählt auch zügiges Spazierengehen – beim Kardiologen untersuchen lassen.