Berlin – Rote Augen zählen zu den häufigsten Gründen für das Aufsuchen von Notfall-ambulanzen und nehmen in Folge der Pandemie zu, wie Experten registrieren. Sie können auf vergleichsweise harmlose Ursachen wie trockene Augen oder Lidrand- und Bindehautentzündungen hinweisen, aber auch Anzeichen ernster und bedrohlicher Erkrankungen sein. Welche Alarmsignale unbedingt beachtet werden müssen, erläutert Professor Uwe Pleyer von der Klinik für Augenheilkunde an der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Ein rotes Auge entsteht, wenn sich die Gefäße der Bindehaut oder der Lederhaut erweitern und verstärkt füllen. „Passiert das scheinbar plötzlich, ohne äußere Einwirkung, ist dieser Anblick für Betroffene beunruhigend und schwer einzuschätzen“, erklärt Professor Pleyer. „Deshalb ist das rote Auge einer der häufigsten Gründe, eine Notfallambulanz aufzusuchen.“
Zu den ernsten Fällen, die sich zuerst in roten Augen äußern können, zählen Entzündungen tiefer liegender Augenstrukturen wie der Lederhaut und der Regenbogenhaut, denen eine autoimmunologische Störung zugrunde liegt. „Bei 40 Prozent der Patienten mit einer Lederhautentzündung stoßen wir beispielsweise auf eine rheumatologische Grunderkrankung“, berichtet Pleyer. „Autoimmunstörungen machen sich zu Beginn oft mit einem roten Auge bemerkbar und erfordern eine fachärztliche Abklärung sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit“, so Pleyer. Betroffen sind überwiegend junge Menschen im erwerbsfähigen Alter.
So ist bei jungen Männern Aufmerksamkeit geboten, die an einem roten Auge in Folge einer Entzündung der Regenbogenhaut leiden. „Solch eine sogenannte vordere Uveitis ist nicht selten ein frühes Zeichen für einen Morbus Bechterew, der noch nicht bekannt ist“, erklärt der Experte der Deutschen Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Augenärztliche Expertise könne in solchen Fällen dazu beitragen, rheumatologische Erkrankungen früher zu erkennen, sodass eine frühe Therapie die Krankheitsprognose erheblich verbessern kann.
Unverzügliches ärztliches Handeln ist bei folgenden Alarmzeichen angezeigthen: deutliche Lidschwellung, Sehminderung, Doppelbilder, eitriges Sekret und Allgemeinbeschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. „Diese Symptome können in Kombination mit roten Augen eine Notfallsituation anzeigen, etwa einen erhöhten Augeninnendruck bei einem Glaukomanfall, der bis zur Erblindung führen kann“, erläutert Pleyer. Ferner könne sich eine dringend behandlungsbedürftige Schilddrüsenfunktionsstörung, die Basedow-Krankheit, so äußern. „Zu guter Letzt muss eine Hirnvenenthrombose mitbedacht werden, die als sehr seltene Komplikation einer Covid-19-Impfung auftreten kann“, ergänzt der Ophthalmologe.
Auch eine Covid-19-Infektion kann sich als Erstes mit roten Augen in Form einer Bindehautentzündung bemerkbar machen, die meist in den ersten drei Tagen nach Beginn der Infektion einsetzt. Überhaupt habe die Pandemie das Auftreten roter Augen verstärkt, so Pleyer. „Ursachen dafür sind Bildschirmarbeit und das Maskentragen, was die Augen austrocknet und reizt“, so Pleyer. Die Betroffenen fühlten sich beeinträchtigt, doch das Sehvermögen selten bedroht.