Wie sinnvoll sind Corona-Antikörpertests?

von Redaktion

Es gibt sie beim Arzt und auch in Apotheken: Experten warnen vor falschem Sicherheitsgefühl

VON SUSANNE SASSE

München – Immer mehr Menschen machen einen Antikörpertest, um zu erfahren, ob in ihrem Blut Immunzellen gegen das Covid-19-Virus enthalten sind. Aber was bringt es wirklich, diesen Titerwert bestimmen zu lassen? Wir erklären, wem der Antikörpertest nützt und wo es ihn gibt:

Welche Antikörper gemessen werden

Seit kurzem dürfen sogar Apotheken die Antikörperwerte bestimmen. Im Angebot haben diesen Test aber bislang nur wenige Apotheker. Ansonsten bieten Ärzte diese Tests an, ebenso viele größere Covid-Testzentren. Bei den Antikörpertests wird gemessen, ob im Blut spezielle Antikörper gegen das sogenannte Spike-Protein nachgewiesen werden können – das Spike-Protein ist ein Eiweiß auf der Außenhülle des Covid-19-Virus. Inzwischen messen die meisten Tests auch Antikörper, die nur durch eine vorangegangene Infektion gegen Covid-19 gebildet werden können, so dass man unterscheiden kann, ob der Betreffende geimpft ist oder  (auch) infiziert war. In der Asam-Apotheke in München kostet der Test 35 Euro, manche Ärzte bieten ihn auch für 20 Euro an, in der Teststation am Deutschen Museum in München kostet er 25 Euro.

So aussagekräftig sind die Ergebnisse

Gewissheit darüber, wie immun genau man gegen Covid-19 ist, bringen die Tests nicht. „Nicht umsonst empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) den Antikörpertest nicht für die Allgemeinbevölkerung, weil wir den Grenzwert gar nicht kennen, ab dem ein ausreichender Immunschutz vorhanden ist“, sagt Privatdozent Dr. Martin Stürmer. Der 53-Jährige ist Virologe und Laborleiter im IMD Labor Frankfurt, davor arbeitete er im Institut für medizinische Virologie und im HIV-Center des Universitätsklinikum Frankfurt. Eine gewisse Aussagekraft haben die Antikörpertests aber schon, sagt Stürmer: „Die Menschen können also gerne ihre Antikörper messen, dann wissen sie zumindest, ob sie auf die Impfung reagiert haben“, sagt Stürmer. Er gehe davon aus, dass ein Wert im unteren vierstelligen Bereich vor einem Impfdurchbruch schütze, aber wo genau man die Grenze ziehen sollte, das sei momentan unklar.

Denn für den Schutz könne es auch auf andere Dinge im Körper ankommen, zudem könnten die Antikörperwerte auch schnell wieder abfallen. „Ich würde den Antikörperwert nicht als Entscheidungskriterium für beispielsweise eine Booster-Impfung heranziehen, denn wir wissen einfach noch viel zu wenig“, sagt Stürmer. Er wisse, dass es Ärzte gebe, die bei einem hohen Antikörperwert von einer Auffrischungsimpfung abrieten, das aber halte er beim aktuellen Wissensstand für falsch: „Ich würde zum Beispiel als 70-Jähriger mein Leben nicht riskieren wollen, weil mir ein Arzt sagt, der Antikörperwert dürfte noch ausreichen.“ Stürmer rät, sich an die zeitlichen Empfehlungen der Stiko zur Auffrischungsimpfung zu halten.

Sinnlos aber seien die Antikörpertest natürlich nicht, sagt Stürmer: „Sie sind ein Baustein bei der Strategie der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, um zum Beispiel die Wirkungen der Impfstoffe noch genauer zu beobachten und zu analysieren.“ Zudem kann man mit dem Test feststellen, wer noch nie mit dem Covid-19-Virus in Berührung kam – sei es durch eine Impfung oder durch eine Infektion. Selbst hat Stürmer übrigens auch schon seinen Antikörperwert gemessen: Direkt nach der Infektion sind die Antikörper bei ihm relativ schnell wieder abgefallen auf einen niedrigen Wert – wobei er nicht wisse, ob der ihn noch gegen eine Zweitinfektion geschützt hätte oder nicht. „Im April bekam ich dann meinen Boosterschuss, und der hat die Antikörper durch die Decke knallen lassen von zuvor deutlich unter Hundert auf über 2000.“

Schützen Antikörper auch gegen Varianten?

Studien haben festgestellt, dass der aufgebaute Schutz im Körper gegen unterschiedliche Varianten des Coronavirus unterschiedlich gut wirkt. Der Grund ist, dass es auf der Oberfläche des Virus zu Veränderungen kommen kann, und dann die nach der Impfung entwickelten Antikörper nicht mehr so gut passen – weshalb die Impfstoffe dann zwar immer noch schützen, aber nicht mehr so gut wie bei der ursprünglichen Variante. Impfdurchbrüche werden also wahrscheinlicher, aber die Betroffenen erkranken nicht so stark wie Ungeimpfte.

Antikörper-Nachweis gibt nicht mehr Rechte

Ein positiver Antikörpertest reicht nicht aus für den Nachweis, an Corona erkrankt und danach genesen zu sein und so das digitale Covid-19-Zertifikat der EU erhalten zu können, das Geimpfte und Genesene erhalten.

Der Grund ist die begrenzte Aussagekraft des Antikörpernachweises: Denn manche Menschen haben noch lange nach einer Infektion einen hohen Antikörperwert, bei anderen fallen die Antikörper schnell ab. Zwar hat die Stiko im Juni empfohlen, auch den Antikörpernachweis als Genesenennachweis zu akzeptieren, doch das Robert-Koch-Institut verlangt für den Nachweis einen positiven PCR-Test und danach einen negativen PCR-Test als Nachweis der Genesung. Die Unabhängige Patientenberatung kritisiert dies und dringt darauf, dass das RKI künftig auch einen positiven Antikörpertest für einen offiziellen Genesungsnachweis ausreichen lässt.

Artikel 3 von 5