„Jede Stadt schmeckt anders.“ Die Stationen ihres Lebens assoziiert die gebürtige Israelin mit einem bestimmten Essen. Usbekistan, ihre letzte Station, beispielsweise bringt Carmela Shamir mit Wassermelone in Verbindung. „Die beste, die ich jemals gegessen habe. Nirgendwo auf der Welt schmeckt sie so gut.“ Und mit einem Lächeln fügt die Konsulin hinzu: Es soll sogar Diplomaten geben, die usbekische Wassermelonen im Koffer mit nach Hause nehmen.
Japan. Belgien. England. Usbekistan. Diese Länder haben sich für die Frau im diplomatischen Dienst ihres Landes irgendwie ergeben. „Aber nach München, da habe ich unbedingt gewollt. Es gab keine Alternative.“ Deshalb hat Carmela Shamir in ihrem Bewerbungsbogen auch keine andere Wahldestination angegeben. Ihr Plan ist aufgegangen: Seit Mitte August ist Carmela Shamir die neue Konsulin an der Isar.
Ihr Ziel für die kommenden vier Jahre: „Das Leben ihrer Heimat den Münchnern nahe bringen.“ Und was eignet sich da besser, als die Gerichte Israels zu kochen? Nicht umsonst verbindet Carmela Shamir mit jedem Land, in dem sie bisher gelebt hat, bestimmtes Essen. Für München hat sie auch schon eine erste Wahl getroffen: Die Landeshauptstadt könnte für sie nach Schnitzel schmecken. Und schon frägt die Konsulin in die Runde: „Wo isst man die besten in der Stadt?“
Fast jeder zweite Deutsche ist noch nie mit dem Judentum in Berührung gekommen. Das hat erst vor wenigen Tagen eine Umfrage der Hanns-Seidel-Stiftung ergeben. Demnach hat nur ein Achtel der Deutschen jüdische Freunde und Bekannte, nicht mal jeder Fünfte war schon einmal in einer Synagoge. Mehr als 55 Prozent der Befragten verbinden laut der Umfrage jüdisches Leben am ehesten mit politischen und historischen Ereignissen. Vor allem wird das Judentum in Deutschland mit Holocaust, Antisemitismus und Angriffe auf Juden verbunden.
„Die Umfrage zeigt, dass jüdisches Leben in Deutschland für viele abstrakt bleibt.“ Das soll sich ändern, sagt Carmela Shamir und setzt auf internationalen Austausch – ihr Wunsch ist es, dass insbesondere junge Leute beider Nationen sich besser kennenlernen. Egal ob auf schulischer oder beruflicher Ebene.
Gern hätte die Israelin auf dem Münchner Weihnachtsmarkt die Bräuche ihres Landes präsentiert. „Wir feiern in der ersten Adventswoche Chanukka.“ Das hätte so gut gepasst: „Bei diesem jüdischen Fest zündet man abends Kerzen an und trifft sich mit Freunden zum gemeinsamen Essen.“ Deshalb hätte es israelische Donuts, mit den deutschen Krapfen vergleichbar, geben sollen. Aber daraus ist bekanntlich nichts geworden.
Beim Essen kommen sich die Menschen näher, mit ihren Lieblingsgerichten verbinden sie Emotionen. „Das macht ein Land erlebbar.“ Deshalb will Carmela Shamir heute israelisches Streetfood auftischen, das in Tel Aviv gerade angesagt ist, aber den Weg hierher noch nicht geschafft hat.
Das Einwandererland Israel hat keine lange Esskultur – Menschen aus über 60 verschiedenen Nationen leben hier zusammen und prägen die kulinarische Vielfalt. Das Ergebnis: ein Schmelztiegel der verschiedenen Geschmacksrichtungen und Esskulturen. „Wir Israelis lieben es, in der Küche zu experimentieren.“ Viele der gerade gängigen Streetfood-Hits seien auf diese Weise entstanden. Eine allgegenwärtige Zutat ist das Tahin, eine samtige Paste aus fein gemahlenen Sesamkörnern.
Die darf auch heute nicht fehlen – Carmela Shamir würzt die Paste mit Dill. „Mit diesem Kraut bin ich aufgewachsen.“ Denn ihre Eltern haben rumänische Wurzeln. „Bei uns zuhause gab es fast kein Gericht ohne Dill.“
Heute dagegen liebt die Konsulin Koriander. Das Kraut hat sie allerdings erst mit Mitte 20 für sich entdeckt. „Da war ich bereits im diplomatischen Dienst unterwegs.“ Essen verbindet eben.
Auch die Nachspeise ist typisch für Carmela Shamirs Land: „Jeder Haushalt hat sein eigenes Cheesecake-Rezept, kein Fest ohne diese Süßspeise.“
Auch wenn sie ihr Rezept schon hunderte Male zubereitet hat, Routine ist es heute nicht: „Ich mache meinen Cheesecake das erste Mal mit deutschen Produkten. Bin gespannt, ob das auch klappt.“ Allein der Vanillegeschmack des Puddings sei schon ein anderer, stellt Carmela Shamir beim Aufreißen des Pulvers fest. Macht aber nichts. Die Süßspeise funktioniert auch mit deutschen Produkten.