Als junge Frau war Ingeborg Soldtwedel (87) kaum zu bremsen. Mit 16 Jahren trainierte die Leichtathletin bereits für den 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen. Später entdeckte sie mit ihrem Mann Heinz (95) – ehemals Manager eines lT-Konzerns – die Liebe zum Tanzsport. Zusammen siegten die beiden mehrmals in der Senioren-A-Klasse. Diese Zeiten sind Erinnerung. 2020 zogen die beiden Hamburger ins Münchenstift St. Josef am Luise-Kiesselbach-Platz – „weil unsere Tochter und die Enkel in München leben.“ Ehemann Heinz ist an Demenz erkrankt. Ingeborg lebt mit fünf neuen Gelenken in beiden Hüften, den Knien und der linken Schulter. „Auch das rechte ist wohl bald fällig. Ich bin leider erblich vorbelastet für solche Probleme.“ Sie weiß, wie wichtig Bewegung für sie ist und gilt vielen hier als Vorbild: „Als ich von dem Sportprogramm hörte, habe ich sofort mitgemacht. Das Training zweimal in der Woche mit den Sportwissenschaftlern tut mir so gut.“ Sie macht auch Qigong und Gymnastik: „Gezielte Bewegung ist nach den vielen Operationen extrem wichtig für meine Muskulatur.“
Am 2. Mai wurde im Heim ein kleines Frühlingsfest gefeiert. Ehemann Heinz hatte keine rechte Lust. Doch dann hörte er die Musik. Und sagte: „Wir könnten ja mal tanzen.“ Das taten sie. Tango, ein langsamer Walzer, sogar ein bisschen Rock’n’Roll. Ein tief berührender Moment für alle, speziell für Ingeborg: „Das werde ich nie vergessen.“
Dankbar ist auch Renate Heckmann (82), ehemalige Münchner Physiotherapeutin, die schon seit zehn Jahren im Münchenstift lebt. Auch sie war in jungen Jahren sehr sportlich: Ski, Tennis, Rollschuh, Schlittschuh, Turnen. „Als ich von dem Sportangebot hörte, habe ich mich sofort angemeldet.“ Auch sie hat zwei künstliche Hüftgelenke: „Der Sport hilft mir, meinen jetzigen recht guten Zustand zu erhalten. Und die Gemeinschaft hier ist schön. Auch die Geräte sind super“ – mit einer Einschränkung: „Ich fahre nicht so gerne Fahrrad. Das ist anstrengend. Aber da muss ich durch.“ Ihre Mutter ist übrigens 101 Jahre alt geworden. Das findet Renate nicht erstrebenswert: „Wenn der Tag der Tage kommt, bin ich bereit.“ Aber bis dahin hat sie noch einiges vor. Und dann muss sie schnell wieder weiter: „Zum Englischkursus! Geht gleich los.“
Hildegard Fertl ist am Donnerstag stolze 91 Jahre alt geworden. Eine Münchnerin, in Haidhausen aufgewachsen. Den Krieg überlebte sie im Keller unter der Weißenburger Straße. Die Eltern wollten, dass sie Schneiderin wird. Aber das gefiel ihr nicht: „Ich ging später zu Siemens, arbeitete 33 Jahre lang in allen möglichen Abteilungen.“ Mit ihrem Mann ging sie in jeder freien Minute in Tirol in die Berge: „Wir hatten eine Ferienwohnung in Going am Wilden Kaiser. Wir waren auf jedem Gipfel.“ Seit 1996 ist sie Witwe, 2020 zog sie ins Heim. „Ich schätze die Gemeinschaft hier. Ich gehe überallhin, wo die anderen sind, natürlich auch zum Sport.“ Als die Zeitung zu Besuch kam, fühlte sich Hildegard Fertl nicht so gut. Dennoch stieg sie aufs Fahrrad. Nach ein paar Minuten war der Kreislauf wieder fit. Und Hildegard lächelt vergnügt: „Ich bin der beste Beweis, wie gut der Sport uns tut.“ An diesem Tag erfuhr sie, dass das Münchenstift den Trainingsraum übernehmen und fortführen wird: „Das ist eine große Freude für uns alle.“