Ein Stück Fleisch oder eine Wurst vom Grill, mal ein Ei zum Frühstück oder Pommes – für viele Menschen sind diese Lebensmittel mit einem schlechten Gewissen verbunden. Denn ihr Hausarzt hat erhöhte Cholesterinwerte festgestellt. Eine Diagnose, die nahezu jeden zweiten Deutschen betrifft. Bedeutet jedoch ein hoher Cholesterinwert wirklich Verzicht? Dr. Thorsten Siegmund, Endokrinologe vom Hormonzentrum München, hält nichts von pauschalen Verboten. Trotzdem: „Du bist, was Du isst“ gilt ganz klar auch für einen erstrebenswerten, gesunden Cholesterinspiegel. Mit der richtigen Beratung, die vor allem auch auf die individuelle Situation des Patienten eingeht, ist es nämlich gar nicht so schwer, seine Ernährung darauf einzustellen. Zehn Tipps vom Experten:
1. Cholesterin ist lebensnotwendig
Zuallererst: „Unser Körper braucht Cholesterin, es ist lebensnotwendig“, sagt Dr. Siegmund. Cholesterin ist ein essenzieller Bestandteil der Zellmembranen. Es erfüllt wichtige Funktionen unter anderem im Fettstoffwechsel und in der Hormonproduktion. Unser Körper produziert Cholesterin zum allergrößten Teil selbst – vor allem in der Leber. Nur etwa ein Zehntel wird mit der Nahrung aufgenommen.
2. Zuviel Cholesterin ist gefährlich
Ab wann ist Cholesterin gefährlich? Vereinfacht gesagt: wenn zu viel davon im Blut ist. Denn Cholesterin ist ein Fett und wird im Blutkreislauf an wasserlösliche Eiweißstoffe (Lipoproteine) gebunden, damit es zu den Zellen transportiert werden kann. Wenn zu viele dieser Verbindungen in den Arterien zirkulieren, können sie sich an den Gefäßwänden ablagern und zu Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) führen, die wiederum das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall steigern.
3. Lernen Sie Ihre eigenen Werte kennen
„Der erste Schritt, um diesem Risiko wirkungsvoll vorzubeugen, ist es, die eigenen Cholesterin-Werte zu kennen“, sagt Dr. Siegmund. Dabei werden standardmäßig zwei Werte gemessen: HDL und LDL, landläufig als gutes und schlechtes Cholesterin bezeichnet (Unterschied siehe Kasten). Cholesterinwerte sind nicht ein Leben lang gleich. Dass sie sich ab dem 40. bis 50. Lebensjahr erhöhen, ist erst einmal völlig normal. Beinahe jeder zweite Deutsche über 50 Jahren hat einen erhöhten Cholesterinwert. „Aber nicht jeder erhöhte Cholesterinwert muss medikamentös behandelt werden“, betont Dr. Siegmund.
4. Die Macht der Blutfette
Bei erhöhten Werten macht eine genauere Untersuchung also Sinn. „Vom LDL geht das eigentliche Risiko aus“, erklärt der Spezialist. „Aber auch andere, nicht so bekannte Blutfette spielen eine Rolle, neben den Triglyceriden beispielsweise LPa oder Apolipprotein B.“ In Dr. Siegmunds Praxis werden diese Blutfette in einem Risiko-Screening mitbestimmt. Ein hoher HDL-Spiegel dagegen kann das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall sogar senken. Denn das HDL-Cholesterin ist das Vehikel, welches das Cholesterin, das sich bereits an den Gefäßwänden abgesetzt hat, zur Galle transportieren kann. Von dort wird es über die Leber ausgeschieden.
5. Checken Sie Ihre familiäre Belastung
Zu einem großen Teil ist ein erhöhter Cholesterinwert eine familiäre Veranlagung. „Durch Ernährung und Sport lässt er sich deshalb nur in einem gewissen Umfang senken.“ Umso wichtiger ist die Familien-Anamnese. Sind bei Blutsverwandten schon im eher jungen Alter Herzinfarkte aufgetreten, kann das ein Hinweis auf eine behandlungsbedürftige, familiär bedingte Hypercholesterinämie sein. Wer als junger Mensch erhöhte Cholesterinwerte hat, sollte das untersuchen lassen.
6. Es gibt noch mehr Risikofaktoren
Behandlungsbedürftig ist ein hoher Cholesterinwert auch, wenn weitere Risikofaktoren hinzukommen. „Das ist vor allem das klassische Trio: hohe Cholesterin-werte, erhöhter Blutzucker und hoher Blutdruck“, erklärt Dr. Siegmund. Auch Übergewicht und Rauchen spielen eine Rolle: „Das alles kann Kreislauferkrankungen bedingen.“ Wer keinen dieser anderen Risikofaktoren hat, kann auch einen etwas höheren Cholesterinspiegel gelassener sehen. All das ist wichtig für die individuelle Risikobewertung, bei der alle Faktoren miteinbezogen werden, um für jeden Patienten den individuellen Zielwert bestimmen zu können.
7. Ernährung spielt eine wesentliche Rolle
Menschen, bei denen mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, sollten sich – egal, in welchem Alter – Gedanken über ihre Ernährung machen. „Dass nur die primär gesättigten Fettsäuren das LDL-Cholesterin erhöhen und daher Auslöser für Herzinfarkte sind, ist – derart verallgemeinernd – nicht länger richtig“, erklärt der Arzt. „Diese über viele Jahrzehnte propagierte Fett-Hypothese der koronaren Herzerkrankung muss revidiert werden.“ Vielmehr sollte die Ernährung in ihrer Gesamtheit betrachtet werden: „Es kommt auf die natürliche Zusammensetzung einzelner Lebensmittel an. Der Fettstoffwechsel ist ein komplexes System, das die Medizin erst langsam zu entschlüsseln lernt.“ Ganz klar ist aber: Übergewicht ist oft die Wurzel des Übels und sollte angegangen werden.
8. Kohlenhydrate und Blutzuckerspiegel
Bei der Gewichtsabnahme spielen Kohlenhydrate eine wesentliche Rolle. Brot, Nudeln, Süßigkeiten oder Fruchtsäfte liefern schnelle Energie. Wenn sie aber in größerer Menge zugeführt werden, als sie verbraucht werden, wandelt sie der Körper in Triglyceride (Stichwort Fettpölsterchen) um. Diese Fette sind zuerst in den Gefäßen unterwegs und können sie verstopfen. Wer abnehmen will, sollte also wenig Kohlenhydrate essen. Davon sinkt auch der Blutzuckerspiegel – die beste Prophylaxe gegen Diabetes.
9. Nicht alle Fette sind ungesund
Fette sind noch größere Energielieferanten. Auch hier gilt: nicht mehr essen, als an Kalorien verbraucht wird. Jedoch sind nicht alle Fette schlecht: Omega-3-Fettsäuren gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren und gelten als gesund. Sie haben einen positiven Einfluss auf den Cholesterinspiegel und können das Risiko einer koronaren Herzkrankheit senken. Omega-3-Fettsäuren kommen zum Beispiel in Seefischen, Nüssen, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Haferflocken sowie Lein- und Rapsöl vor.
10. Das individuelle Therapie-Konzept
„Jede Therapie muss den einzelnen Menschen im Blick haben. Nicht nur medizinische Parameter, sondern auch die individuelle Lebenssituation, die Vorlieben und natürlich auch die Abneigungen“, betont Dr. Siegmund. Im Hormonzentrum München wird für jeden Patienten einzeln in Abhängigkeit von seinem Risikoprofil ein Ziel definiert. Wenn jemand Medikamente ablehnt, wird auch dies berücksichtigt. So entstehen inidviduelle Therapiepläne – inklusive einer persönlichen Ernährungsberatung.