„Meine Oma wäre unfassbar stolz auf mich. Meine ganze Leidenschaft für die Gastronomie und die Gastfreundschaft habe ich von ihr gelernt.“ Florian Gleibs – man könnte ihn irgendwie auch einen kulinarischen Botschafter Israels in München nennen – steht hinterm Tresen seines Lokals und begrüßt seine Gäste. Künstler vom benachbarten Volkstheater, Leute aus dem Viertel, Juden, so wie er – „obwohl ich eigentlich kein religiöser Mensch bin“. In Gleibs’ „Schmock“ trifft sich ein buntes Sammelsurium an Menschen. Die die Liebe zur Levante-Küche einigt.
Diese serviert er in München schon seit 1999, als die Küche des Nahen Ostens hierzulande noch nicht im Trend lag. Erst in der Maxvorstadt, seit dem Umzug des Volkstheaters in der Isarvorstadt.
Der Wirt erzählt von seiner Mischpoke, seiner Familie. Sie stammt ursprünglich aus Bagdad und musste in den 1950ern wie die meisten irakischen Juden das Land verlassen. „Aus vielen arabischen Ländern flohen damals Menschen jüdischen Glaubens nach Israel und brachten ihre Art zu leben und zu essen mit.“ So schrecklich sich diese ganze Flucht anhöre, „um so schöner ist es, dass man sieht, wie sich so viele unterschiedliche Kulturen vermischen können“, sagt Gleibs.
Bei der Großmutter kam die ganze Familie zusammen, jeder brachte etwas zum Essen mit. „Die Erwachsenen saßen den ganzen Tag um den Tisch, wir Kinder tobten durchs Haus.“ Ein buntes Durcheinander. Bei der Oma stand in Gleibs’ Erinnerungen immer etwas auf dem Herd, die Lebensphilosophie der Großmutter lautete: „Es gibt immer genug für alle und Fragen werden keine gestellt.“ So funktionierte das Miteinander harmonisch.
Gleibs selbst hat als Jugendlicher in Israel gelebt, das Internat wurde wie eine Art Kibbuz geführt. „Ich war der einzige Deutsche. Da galt es sich zusammenzuraufen.“ Im wahrsten Sinne des Wortes. Meist zweimal im Jahr ist Gleibs als Erwachsener in Israel, zuletzt hat er die Familie im August besucht. Die nächste Reise war für November geplant – aufgeschoben. Die Familie in Tel Aviv befinde sich derzeit „im Schockzustand“.
Im „Schmock“ serviert Gleibs eine Kombination aus israelisch-arabischer Küche. Gekocht von einem internationalen Team: „Meine Kernmannschaft besteht aus einem zusammengewürfelten Haufen. Das sind Rahmat aus Afghanistan und Mohamad sowie der Ägypter Sabry. Stefan Hegewald ist seit 20 Jahren sein Küchenchef. Obwohl das Team auf engstem Raum zusammenarbeitet, spielt Politik hier keine Rolle. Gleibs hält sich heutzutage lieber aus politischen Debatten raus. Er will mit seiner Küche dazu beitragen, dass „die Menschen sich besser verstehen, Scheuklappen ablegen“.
Essen als Schlüssel für Verbrüderung – damit hat sich auch die Wissenschaft auseinandergesetzt. Christoph Klotter von der Hochschule Fulda und Ernährungswissenschaftlerin Eva-Maria Endres schreiben in einem Aufsatz: „Essen ist in allen Kulturen die erste Sprache, mit der Kleinkinder die Welt kennenlernen. Damit erfahren sie, was in ihrer Familie und ihrer Kultur auf den Tisch kommt und welche Werte wichtig sind.“ So sei Esskultur auch ein wichtiger Teil unserer Identität und unseres Gefühls für Heimat und Gruppenzugehörigkeit.“ Das hätten alle Menschen gemeinsam.
Über die Küche seiner Ahnen hat Gleibs in diesem Frühjahr ein Kochbuch mit dem Titel „Shalom Kitchen“ beim EMF Verlag herausgebracht. Shalom bezeichnet den Zustand des Wohlergehens. Im Alten Testament wird es erstmals auch als Segensformel verwendet für Frieden. Essen hat für den Wirt eindeutig etwas mit Wohlbefinden zu tun. Egal zu welchem Anlass – ob zu Chanukka, das die Juden in diesen Tagen feiern, oder zu Weihnachten, dem Fest der Christen.