Pass gut auf: Keks hört auf Fenjas Kommandos.
Fenjas Vater und die Hundetrainerin begleiten Fenja.
Dich gebe ich nicht mehr her: Die sechsjährige Fenja kuschelt sich an ihren Assistenzhund Keks. Fenja hat Diabetes und Keks passt auf sie auf. © Tim Wegner (3)
Frankfurt am Main – Fenja macht es sichtlich Freude, mit ihrem Hund Keks spazieren zu gehen. Sie hält ihn locker an der Leine, streichelt ihn, nimmt ihn in den Arm. Und wenn er brav „Sitz“ macht, dann „bekommt Keks auch einen Keks“, sagt die Sechsjährige lachend und gibt ihm ein Leckerli. Doch der Ausflug mit der Tiertrainierin ist nicht nur Spaß, sondern hat einen ernsten Hintergrund: Fenja ist eines von bundesweit rund 32 000 Kindern mit Typ-1-Diabetes. Keks soll ihr Warnhund sein und sich bemerkbar machen, wenn dem Mädchen eine Unterzuckerung oder Überzuckerung droht.
Einmal in der Woche treffen sich Fenja, ihr Vater Thomas Hengl und Keks mit Diana Marx, die in Frankfurt am Main nebenberuflich Assistenz- und Warnhunde schult. Fenja lernt, mit ihrem Großpudel Keks ohne Probleme spazieren zu gehen. Nicht jeder Hund kann Diabetes-Warnhund werden. Die Fähigkeit zu warnen, ist nach Angaben des Deutschen Assistenzhundezentrums angeboren, trifft aber nur auf rund drei Prozent der Hunde zu. „Als Keks ein Welpe war, hat sich bei umfangreichen Tests gezeigt, dass er diese Eigenschaft für Warnhunde besitzt“, erläutert Petra Köhler, Trainerin beim Assistenzhundezentrum in der Region Hessen. Es sei etwa festgestellt worden, dass der Hund auf leiseste Geräusche reagiere, sehr auf Menschen bezogen sei und helfen wolle.
Weil eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen, kommen anders als bei Blindenhunden die Krankenkassen nicht dafür auf, wenn Diabetiker-Warnhunde ausgebildet und gehalten werden. „Es gibt bisher zu wenige Studien zu diesem Thema“, betont Karsten Müssig, Medizinprofessor und für die Leitlinien bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft mit zuständig. Der Diabetologe warnt: Diabetiker dürften keinesfalls auf technische Hilfsmittel wie eine kontinuierliche Glukose-Messung verzichten.
Da stimmt Thomas Hengl ausdrücklich zu, denn natürlich trägt auch Fenja einen solchen Sensor am Arm. Er und seine Frau wollten aber zusätzlichen Schutz für ihre Tochter: „Die technischen Systeme können ausfallen, falsche Zahlen ausgeben oder in Gebieten ohne Netz keine Werte transferieren“, meint er. Er bemerkt, dass Keks deutlich früher warne als die Technik und mehr Zeit zum Handeln lasse, um Zucker zu geben oder Insulin zu spritzen. Petra Köhler vom Assistenzhundezentrum sagt: „Die Hunde reagieren, bevor die Blutzuckerwerte unter 70 oder über 250 mg/dl steigen.“
Die Art und Weise, wie die Hunde dann warnen, könne unterschiedlich sein: „Der Hund fiept, kratzt oder stupst.“ Manchmal gilt auch das sogenannte „Juckeln“ als Hinweis, das Anspringen an das Bein von Herrchen oder Frauchen. In der Ausbildung müsse der Mensch lernen, den „Hund zu lesen“. „Es ist wichtig, dass wir diese Warnzeichen rechtzeitig erkennen“, bestätigt auch Thomas Hengl.
Die Eltern oder Betreuer der Kinder sind daher immer ein Teil der Ausbildung, die bis zu zwei Jahren dauern kann. Die Kosten sind hoch und betragen bis zu 20 000 Euro. Familie Hengl erhielt dafür Unterstützung vom Projekt „Diabetiker-Kids“ des Rotary Clubs Bad Orb.
Dass ein Hund für betroffene Familien viele Vorteile bietet, bezweifelt auch Mediziner Karsten Müssig nicht. Menschen mit Diabetes, die einen solchen Hund hielten, berichteten von mehr Wohlbefinden, einer höheren Lebensqualität und sogar von besseren Blutzuckerwerten.
„Der Umgang mit Tieren führt offenbar zu mehr Bewegung und stabilisiert gerade bei Kindern und Jugendlichen auch die Psyche“, betont der erfahrene Diabetologe. Das kann Thomas Hengl aus dem Alltag seiner Familie nur unterstreichen: „Seit sie Keks hat, ist Fenja viel selbstbewusster, lockerer und geht mir ihrer Krankheit viel besser um.“ Für Fenja ist auf jeden Fall klar: „Das ist mein Keks, den gebe ich nie wieder her.“