Einfach mal richtig Luft holen

von Redaktion

Das kann man üben: Die konsequente Atmung durch die Nase reduziert die Zahl der Atemzüge. © Mauritius Images

Die achtsame Atmung ist der Schlüssel zu einem gesünderen Leben: Einfach mal tief ein- und ausatmen. So wird die volle Lungenkapazität genutzt und der tägliche Stress in erträgliche Schranken gewiesen. © Mauritius Images

München – Nur selten nutzen wir unsere volle Lungenkapazität oder atmen viel zu schnell. Auch, weil hohe Anforderungen uns oft unter Druck setzen. Die Folge: Der Körper reagiert mit Stress und veränderter Atmung. Dabei ist die achtsame Atmung oft der Schlüssel zu einem glücklicheren und gesünderen Leben. Denn: Sie stärkt das Immunsystem, schafft innere Ruhe, hilft in der Bewältigung von Stresssituationen und schützt sogar vor Krankheiten. Experten schätzen, dass 50 bis 70 Prozent aller gesundheitlichen Beschwerden von falscher Atmung begleitet oder gar verursacht werden.

Die meisten Menschen atmen in der Regel unbewusst. Das vegetative Nervensystem steuert selbstständig lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Körpertemperatur oder Verdauung. Die Atmung zählt auch dazu – und ist die einzige Funktion, die wir bewusst steuern können. Indem wir Häufigkeit, Länge, Tiefe oder den Bewegungsraum der Atemzüge verändern, beeinflussen wir auch den Zustand des Atemsystems. Der Sympathikus ist dabei der Kampf- oder Fluchtmodus. Der Parasympathikus dagegen steht für den Ruhe-, Erholungs- oder Verdauungsmodus.

■ Ideal: Sechs Atemzüge

„Je weniger Atemzüge, desto gelassener ist man“, erläutert Dr. Egor Egorov, Autor („6 Atemzüge und nie mehr gestresst“), Arzt und Hypoxie-Trainer für die gezielte Sauerstoffverfügbarkeit im Körper. Die durchschnittliche Atemfrequenz für Erwachsene im Ruhezustand liegt bei neun bis 16 Atemzügen pro Minute, bei Sport oder Stress sind es deutlich mehr. Aus Dr. Egorovs Sicht sind sechs Atemzüge pro Minute das Ideal: „Der einfachste Weg zu weniger Stress und mehr Gelassenheit. Der Körper schaltet vom Stress- in den Entspannungsmodus. Diese Entspannung auf Knopfdruck kann jeder erlernen.“

Es beginnt mit der Atemtechnik: „Wer zehn Sekunden den Atem anhält, kann oft schon das Essverhalten beeinflussen. Das Verlangen nach Süßem und Fettigem sinkt. Ab 20 Sekunden und länger steigt in der Regel die Lust auf mehr Bewegung. Körperliche Aktivität wird als viel weniger anstrengend empfunden. Schafft man 40 bis 60 Sekunden, ist der Körper in absoluter Topform!“

Psychische Belastungen beeinflussen die Atmung ähnlich wie z. B. Sport. Wir neigen dazu, zu schnell, flach und vermehrt durch den Mund zu atmen. Dann atmen wir zwei- bis dreimal mehr Luft ein, als der Körper benötigt. Geschieht dies häufiger, passt sich das Atemzentrum im Gehirn an – das Gespür für das richtige Verhältnis von Sauerstoff und Kohlendioxid bleibt auf der Strecke. Darunter leiden auch Organe und Körpersysteme. „Normalerweise wird der Atemreflex ausgelöst, sobald zu viel Kohlendioxid im Blut ist“, erklärt Egorov. „Durch häufiges schnelles und flaches Atmen im Alltag gewöhnt sich der Körper an zu niedrige Kohlendioxidspiegel.“

■ Halten Sie mal die Luft an

Mit gezieltem Üben lässt sich dieses System umprogrammieren. Der Effekt: Man entkommt dem chronischen Stressmodus, die Sauerstoffaufnahme in den Zellen verbessert sich. Der Trick: Trainieren Sie den Körper darauf, mit weniger Sauerstoff auszukommen, als er gewohnt ist. Dieser leichte Sauerstoffmangel ist laut Egorov ein Anreiz, die inneren Abläufe so zu optimieren, dass sie uns selbst bei Belastungen länger mit Energie versorgen und vor Stressfolgen schützen können. „Indem man den Atem anhält, simuliert man einen ähnlichen Zustand wie bei körperlicher Belastung“, erklärt Dr. Egorov. Je nachdem, wie gut der Körper mit der Situation umgehen kann, fällt die Zeitspanne bis zum natürlichen Atemreflex länger oder kürzer aus. Daran lässt sich ablesen, wie hoch die Stressresistenz ist.

Eng mit der Atemfrequenz verbunden ist zudem die Art der Atmung. „Durch den Mund zu atmen ist eine reine Stressatmung. Schon nach ein paar Atemzügen schlägt das Herz schneller. Über einen längeren Zeitraum passt sich das Atemzentrum dann an diesen Zustand an. Die Atemfrequenz wird also dauerhaft erhöht. Und das Herz reagiert mit einer höheren Schlagzahl“, so der Atemexperte.

Konsequente Nasenatmung ist somit der einfachste und schnellste Weg, um die Anzahl der Atemzüge zu verringern und tief in den Bauch zu atmen. „Dann passen sich die Atemrezeptoren an und beginnen, die Atemfrequenz zu verlangsamen. Atmet man also in einem stressigen Moment bewusst durch die Nase, wirkt das regulierend auf Atmung und Herzschlag.“ Dr. Egorovs Rat: „Üben Sie immer wieder bewusst. Beim Warten auf den Bus, an der Supermarktkasse, an jeder roten Ampel. Je öfter Sie bewusst durch die Nase atmen, desto schneller wird es zur Gewohnheit.“

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