Braut und Witwe an einem Tag

von Redaktion

Vorwurf Urkundenfälschung – Erbstreit vor Mühldorfer Amtsgericht

Mühldorf – Eine 37-Jährige heiratet ihren 24 Jahre älteren Lebensgefährten an seinem Krankenbett. Noch am selben Tag verstirbt der Mann. Wenig später legt die Witwe dem Nachlassgericht Mühldorf ein Testament vor und beantragt einen Erbschein als Alleinerbin. Der Sohn des Toten sieht das Testament, wird misstrauisch und schaltet die Polizei ein. Jetzt steht die Frau wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht Mühldorf.

Hochzeit am Krankenbett

Laut Anklage soll die 37-Jährige im Juli 2019 das Testament samt Unterschrift ihres Ehemannes angefertigt haben. Darin war sie als Alleinerbin von etwa 50000 Euro eingesetzt. Dieses Testament habe sie im Februar 2020 beim Amtsgericht Mühldorf vorgelegt.

„Die Angeschuldigte wusste, dass der Erblasser sie in Wahrheit nicht als Alleinerbin eingesetzt hatte“, trug die Staatsanwältin vor. „Entgegen ihrer Vorstellung erkannte das Amtsgericht anhand eines Schriftgutachtens, dass das Testament gefälscht war.“ Das Nachlassgericht wies den Antrag auf einen Erbschein zurück.

Gegenüber dem Gericht mit Vorsitzendem Richter Florian Greifenstein erklärte Verteidiger Bernhard Hartsperger: „Meine Mandantin weist den Vorwurf der Urkundenfälschung zurück.“ Sie habe das Testament weder verfasst noch unterschrieben, zitierte Richter Greifenstein einen entsprechenden Schriftsatz.

Die Vorgeschichte ist tragisch. Die Angeklagte hatte ihren todkranken Lebensgefährten im Februar 2020 am Krankenbett geheiratet: auf der Palliativstation des Krankenhauses. „Das war sein letzter Wunsch“, beteuerte die Witwe, von der Erinnerung spürbar aufgewühlt.

Noch am selben Tag verstarb der Ehemann überraschend. Damit hätte niemand gerechnet, so die Frau, selbst die Ärzte nicht: „Keiner dachte, er würde an diesem Tag sterben.“

14 Jahre und zwei Monate war sie mit dem Verstorbenen zusammen, es sei also keine Kurzzeitbeziehung gewesen. Davor war sie mit dessen Sohn liiert. Das Verhältnis von Vater und Sohn hatte sich über die folgenden Jahre verschlechtert. Seit 2015 bestand gar kein Kontakt mehr.

„Den Erbschein habe ich beantragt, weil ich nicht wollte, dass das Haus meines Mannes vor die Hunde geht“, erklärte die Angeklagte. „Schon mit dem Antrag habe ich beim Nachlassgericht darauf hingewiesen, dass dazu sicher eine Anzeige von der Familie meines Mannes kommen wird.“ Das Testament habe ihr Mann mit anderen Dokumenten im gemeinsam bewohnten Haus im Landkreis Mühldorf aufbewahrt. Auf seinen Wunsch habe sie es Tage vor seinem Tod zu ihm in die Klinik gebracht und erst zu diesem Zeitpunkt von der Existenz des Schriftstücks erfahren.

„Ich bin mit meiner Erwerbsunfähigkeitsrente abgesichert“, betonte die 37-Jährige, die mittlerweile nicht mehr im Landkreis lebt und nur mithilfe eines Rollators das Gericht betreten konnte. „Ich wollte mich nicht bereichern.“

Parallel zu dem Strafverfahren am Amtsgericht Mühldorf läuft ein Zivilverfahren am Landgericht Traunstein: „Dort klagt der Sohn meines Mannes gegen mich.“ Er möchte sie aufgrund der mutmaßlichen Urkundenfälschung wegen Erbunwürdigkeit vom Erbe ausschließen.

Laut Richter Greifenstein sei die Schriftsachverständige zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: Die Unterschrift unter dem Testament weiche in gravierender Weise von der Originalschrift des Verstorbenen ab. Es handele sich sicher nicht um seine spontane Unterschrift.

Der Sohn (34) des Verstorbenen konnte wenig Erhellendes aussagen: Den letzten Kontakt zu seinem Vater hatte er 2015. Schon damals habe er festgestellt, dass dessen Hände so stark zitterten, dass er kaum mit Besteck oder einer Kaffeetasse umgehen konnte. Geistig sei er aber „noch voll da“ gewesen. Vom Tod seines Vaters hatte ihn seine jetzt angeklagte Stiefmutter über Facebook informiert.

Sohn schaltet
Polizei ein

„Als ich nach seinem Tod das Testament gesehen habe, habe ich sofort gesagt, das ist nicht seine Handschrift“, berichtete er. In dem Testament sei das Geburtsdatum des Sohnes falsch gewesen, er habe Pausspuren entdeckt und wegen des Händezitterns habe sein Vater 2019 sicher nicht mehr richtig schreiben können. „Daraufhin bin ich zur Polizei.“

Das Schriftgutachten und die Aussagen des Sohnes „nähren gewisse Verdachtsmomente“, stellte Richter Greifenstein fest. „Ohne die Sachverständige zu hören, kommen wir aber hier nicht voran. Hat die Angeklagte recht oder kann sie nur nicht anders? Wir wissen es nicht.“

Für den Moment setzte er den Prozess ohne neuen Termin aus. „Wir brauchen die Sachverständige, um der Sache endgültig auf den Grund zu gehen und irgendwann abschließen zu können.“

Erben und Vererben

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