Interview
„Hohe Mieten sind kein Naturgesetz“

Maximilian Heisler und Tilman Schaich über die Demonstration #ausspekuliert am 15. September
Schluss mit dem Mietwahnsinn, heißt es am 15. September: Da findet unter dem Motto „#ausspekuliert“ in München eine große Demonstration statt. Gerechnet wird mit tausenden Münchnern, die protestieren: gegen exorbitant steigende Mieten, Luxussanierungen, Verdrängungen aus der Wohnung und dagegen, dass sie sich ihre Stadt nicht mehr leisten können. Initiiert haben die Demo Maximilian Heisler vom Bündnis Bezahlbares Wohnen und Tilman Schaich, Mitgründer des neuen Mieterstammtischs.
-Immer mehr Münchner können die Miete kaum noch zahlen oder werden gar aus ihrer Wohnung vertrieben. Was ist bei der Demo geplant?
Tilman Schaich: Die Idee ist: Eine Woche vor dem Einzug der Wiesnwirte ziehen die Münchner aus ihrer Stadt aus. Mit Rucksäcken, Leiterkarren und Rollkoffern. Weil es ihnen reicht mit dem Mietwahnsinn.
Maximilian Heisler: Der Erfolg des neuen Mieterstammtischs zeigt: Es geht ein Ruck durch die Mieterschaft. Es ist ja auch absurd, dass das Wohnen das dringendste Thema ist, sich aber bisher nichts tut, auch vonseiten der Betroffenen.
-Herr Schaich, Sie leben im „Künstlerhaus“ an der Thalkirchner Straße 80 – noch…
Das Haus wurde 2016 an einen Investor verkauft. Die Eigentümer wollen nun eine Modernisierung umsetzen. Seitdem werden in dem Altbau Türstöcke rausgerissen und der Hof umgegraben. Der Denkmalschutz greift nicht. Viele sind schon ausgezogen. Ich soll dann mehr als doppelt so viel Miete zahlen wie jetzt. Sie haben mir meine Wohnung auch zum Kauf angeboten, unrenoviert für 13 500 Euro pro Quadratmeter.
-Investoren bewegen sich mit Mieterhöhungen im rechtlichen Rahmen.
Schaich: Da langt’s einem doch! Der rechtliche Rahmen muss geändert werden. Die Modernisierungsumlage (der Vermieter darf die Kosten für Maßnahmen teilweise auf die Mieter umlegen, d. Red.) ist eine Waffe gegen Mieter. Wer ein Haus kauft, sollte auch die Verantwortung für die Mieter mitübernehmen müssen. Der Markt kann das nicht regulieren. Die großen Firmen wollen alle die besten Mitarbeiter haben und zahlen ihnen Gehälter, mit denen sie sich solche Wohnungen leisten können, wo ich jetzt rausfliege.
-Wird bei der Demo nicht zu viel in einen Topf geworfen? Nicht jede Kündigung wegen Eigenbedarfs ist ein Skandal. Und soll man die alte Villa an der Linastraße (wir berichteten) erhalten – oder dort Wohnungen bauen?
Heisler: Das Gut Wohnraum ist so knapp, dass es schwierige Entscheidungen gibt. Hinter allem steht die Frage: Wie wollen wir leben, welches Lebensgefühl erhalten? Jahrzehntelang wurde diese Diskussion verpasst. Der Klassiker ist: Eine bezahlbare Wohnung geht flöten, weil der Markt dafür sorgt, dass einfach Mieter ausgetauscht werden. Die Politik schläft, bisher passiert nur Symbolhaftes.
-Auch die Mietpreisbremse?
Heisler: Die ist Käse, das ist längst eingepreist. Der Effekt verpufft, wenn zugleich die Mieten in den verkauften GBW-Wohnungen steigen. Die Stadt sagt: 50 000 Wohnungen können wir noch bauen. Dabei stehen 15 000 Leute beim Wohnungsamt in der höchsten Dringlichkeitsstufe, 30 000 ziehen pro Jahr zu. Zudem drücken die Neubaumieten den Mietspiegel nach oben.
-Stichwort Erhaltungssatzung?
Heisler: Wenn ein Haus im Satzungsgebiet liegt, kann die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben. Das tut sie aber nicht. Die Kämmerei sagt: zu teuer. Es gibt auch kaum Abwendungserklärungen (bei denen der Eigentümer auf Modernisierungen verzichtet, d. Red.). Diese Instrumente könnte man verschärfen. Wenn die Politik so viel verpasst hat, ist das heute das Lehrgeld. Am Schluss landen die Leute beim Wohnungsamt. Schaich: Es trifft alle bis auf Gutverdiener. Was macht ein Paar mit Kindern, das sich trennt? Erzieher, Busfahrer, Künstler? Was, wenn die ganzen Leute, die die Stadt vital erhalten, weg sind? Dann ist sie nicht mehr lebenswert. Heisler: Es ist doch kein Naturgesetz, dass Wohnraum unerschwinglich wird.
-Welche Forderungen gibt es bei der Demo?
Heisler: Die formulieren wir noch. Grundsätzlich geht es darum: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum und eine bunte Stadt mit einer guten sozialen Mischung. Wohnungsverlust kann jeden treffen.
-Bei #ausgehetzt protestierten – je nach Zählung – 25 000 bis 50 000 Menschen für eine bessere Asylpolitik. Mit wie vielen rechnen Sie?
Heisler: Wir hoffen auf mehrere tausend. Wir wollen, dass die Münchner sagen: Ich kämpfe, damit ich als Bürger hierbleiben kann, weil ich diese Stadt liebe. Der #ausgehetzt-Organisator Thomas Lechner unterstützt uns mit seinem Netzwerk. Unser Thema ist nicht links, sondern gesamtgesellschaftlich. Es ist keine Anti-CSU-Demo. Beim Thema Wohnen gibt es viele Verantwortliche. Jedem, der den Stein auf jemand anderen schmeißen will, sage ich: Vorsicht, du sitzt im Glashaus.
-Die Demo ist vier Wochen vor der Landtagswahl. Was halten Sie von den politischen Programmen?
Heisler: Fast alles darin ist Copy-Paste von der letzten Landtagswahl. Die paar neuen Aspekte fokussieren sich auf Neubau und auf ländliche Regionen. Die Landtagskandidaten hatten noch nie große Ideen zum Thema Wohnen.
-Wie geht es nach der Demo weiter?
Schaich: Der Mieterstammtisch soll den Leuten mehr bringen als Vernetzung.
Heisler: Wir wollen online eine Karte schaffen, wo wir Fälle sammeln, Mechaniken aufzeigen, Licht ins Dunkel bringen.
-Gibt es für die Demo ein Vorbild?
Schaich: In Berlin war im April die Demo #Mietenwahnsinn, da kamen 13 000 Leute.
Heisler: Ich hoffe nur, dass wir uns danach nicht so zersplittern. Die Demo in Berlin hat einen Keil zwischen die Initiativen getrieben. Die einen wollten den kommunalen Plan mittragen, die anderen sich bei einigen Punkten nicht bewegen. Aber gut ist, dass sie viel auf den Plan gebracht hat. Natürlich gibt es widersprüchliche Interessen. Doch es gibt nicht nur die Extreme: Messie oder böser Investor. Die Hoffnung ist, dass viele Initiativen – etwa die Bodenrechtsinitiative und das Bündnis Gartenstadt – erkennen: Eigentümer haben meist eine große Schnittmenge mit den Mietern.