Es war bislang quasi eine Frage des gesellschaftlichen Standes, wer wo sitzen durfte – beim traditionellen Fischessen im Franziskaner am Aschermittwoch. Die nobelste Stadtgesellschaft nahm in 56 Jahren immer im sogenannten Studentensaal Platz, wo unter anderem Herren- und Damenausstatter Max Dietl, Filmlegenden-Witwe Angela Waldleitner oder Unternehmer Thomas Haffa Familie und Freunde an ihre reservierten Tische baten. Auf Lebenszeit am selben Fleck. Das konnte höchstens ein schweres Schicksal oder ein nachhaltiger Konflikt mit Seniorchef Edi Reinbold ins Wanken bringen.
Nun hat die Finck’sche Vermögensverwaltung die Sitzordnung durcheinandergewirbelt: Im Zuge des Abrisses und Neubaus des Wohn- und Geschäftshauses Perusastraße 7 – hier residierte einst das Schuhhaus Thomas – ist auch die 600 Jahre alte Traditionsgaststätte Franziskaner um den ursprünglich nicht dazugehörenden Studentensaal und damit um knapp 200 Plätze ärmer worden. Und nicht nur das: Damit verschwand auch endgültig der legendäre Stammtisch des legendären Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der dort vier-, fünfmal die Woche in seiner Nische tafelte, von der aus er die Leute sehen konnte, selbst aber unentdeckt blieb. Genauso wie der scheue Industrielle F.K. Flick, dessen wilde Partys Gesellschaftsgeschichte schrieben, auch im Franziskaner. Tempi passati.
Nach dem letztjährigen Aschermittwoch wurde der Studentensaal geräumt, eine Mauer eingezogen und das Dahinter abgerissen. Stellt sich also nun die Frage, wo nehmen die feinen Herrschaft morgen Platz? Thomas Haffa bekommt den Stammtisch der Stammtische in der Klause und die Dietls ziehen in den Lichthof namens Hofgarten. Die Gäste werden auf den ganzen Franziskaner verteilt, der jetzt statt 800 Plätzen nur noch 600 hat.
Vielleicht hat das Stühlerücken aber auch den Vorteil, dass sich die durch die vorherige Sitzordnung bisher leicht Verletzten in strahlenderem Licht wiederfinden und ein neuer Standpunkt völlig neue Perspektiven und Netzwerkereien bringt.
Erwartet werden wieder die Dallmayr-Mitinhaber Wolfgang und Marianne Wille, die Anwälte Harald Mosler und Stavros Kostantinidis, das Volksmusik-Duo Marianne und Michael Hartl sowie Stephanie von Luttitz, die sich zuvor mit ihrer Mutter Uschi Dämmrich von Luttitz traditionell bei einem Gottesdienst das Aschekreuz auf die Stirn zeichnen lassen. Es steht für Umkehr und Buße. Doch an diesem Abend wird noch mal das Leben gefeiert, bevor die Fastenzeit endgültig beginnt.
Alle sind jedenfalls schon mächtig gespannt, wie das Fischessen ohne Studentensaal wird. ULRIKE SCHMIDT