Phantomjagd am Königsschloss

von Redaktion

Historisches Schauspiel mit Pferden und Hunden in Nymphenburg und im Hirschgarten

Jagdhornbläser waren bei dem historischen Schauspiel am Sonntag auch dabei.

Schleppjagdvereins-Vorsitzender Toni Wiedemann mit dem Ehrengast der Veranstaltung, Herzog Franz von Bayern (re.).

Reiter samt Meute: Warmlaufen für die Schleppjagd am Schloss Nymphenburg, natürlich nur zur Darstellung. Erlegt wurde nichts, denn diese Form der Jagd ist seit Langem in Deutschland verboten. © Marcus Schlaf (3)

Auf zur Reitjagd in der Großstadt! Die Hufen der zehn mächtigen Kaltblüter wirbeln den Sand am Schloss auf. Die Meute, rund 30 Jagdhunde stark, trottet in Reih und Glied wie eine tierische Kompanie zwischen den Pferden her. Eine Staubwolke hüllt sie ein. Auf den Pferden thronen neun Reiterinnen und ein Reiter in Mänteln, die meisten in royalem Blau. Ihre Zylinder wackeln im Schritt der Tiere. Im Hintergrund der Klang von Jagdhörnern, sie blasen französische Jagdsignale. Das alles vor der Kulisse des Schlosses Nymphenburg. Eine Szene, die sich so ähnlich auch vor rund 150 Jahren hätte abspielen können – damals, als die bayerischen Könige noch zur Jagd aufbrachen.

Doch das heute ist keine echte Jagd – sondern nur ein historisches Jagdschaubild. Ein Spektakel, das es in der Form seit mehr als 20 Jahren innerhalb der Stadt nicht mehr gab. Veranstaltet am Sonntagabend vom Schleppjagdverein von Bayern. Das Ziel: „Wir wollen die Tradition des Jagdreitens am Leben erhalten“, sagt Vereinsvorsitzender Toni Wiedemann (73).

Denn die Jagd mit Pferden und Hunden auf lebendes Wild, wie Füchse oder Wildsäue, ist seit den 1930er-Jahren in Deutschland verboten. Erlaubt sind nur noch Schleppjagden: Dabei laufen die Hunde einer künstlichen Fährte hinterher, der Schleppe. Noch in den 1980er-Jahren habe Wiedemann so eine Jagd in der Fußgängerzone am Marienplatz abgehalten – zu Schauzwecken natürlich. Doch die Zeiten haben sich geändert: Am Sonntag jagten die Pferde und Hunde nicht einmal einer künstlichen Spur hinterher, das war in der Stadt nicht möglich. Daher simulierten die Reiter das Szenario bloß: die Phantomjagd am Königsschloss.

Die Zuschauer waren dennoch recht angetan – auch der Ehrengast Herzog Franz von Bayern (91): „Das ist ein wunderbares Spiel mit den Hunden und den Pferden, die in eine unglaubliche Harmonie gebracht werden – das ist einfach ein schönes Bild.“ Fast wie lebendige Kunst, findet der Nachfahre der bayerischen Monarchen.

Nach dem Warmlaufen am Schloss Nymphenburg zogen die Reiter und die rund 30 Hunde, allesamt Englische Foxhounds, weiter in den Königlichen Hirschgarten. Dort schritt der Jagdtross samt Meute im Schritt, Trab und Galopp über die grüne Rasenfläche des Parks, hin und zurück – wie bei einer echten Schleppjagd.

Wiedemann schaute sich das Ganze vom Rande aus an – seit einem schweren Jagdunfall sitzt er im Rollstuhl. Seine Leidenschaft für die Tradition ist jedoch immer noch genauso groß: „Es ist einfach ein Stück Kultur“, sagt er. Eine Kultur, die Geschick erfordere: „Als Jäger muss man schnell denken, schnell handeln.“ Das Gleiche gilt auch für die Tiere: „Es fasziniert mich immer wieder, mit welcher Geschwindigkeit die Hunde auf die Schleppe draufgehen – mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde“, sagt Wiedemann. Die Hunde seien die „schnellsten Nasenjäger“ überhaupt. Und: Wer so schnell läuft, bekommt natürlich Durst: So machten sich die Tiere zwischenzeitlich im Hirschgarten über einen Wassertrog her. Für die Reiter gab es Bier.
JULIAN LIMMER

Artikel 4 von 9