In München wirken sich die hohen Lebenshaltungskosten aus. © Axel Haesler
Die Karte zeigt den Schuldneranteil in Prozent auf Stadtteilebene.
Seit fünf Jahren ist die Zahl der überschuldeten Verbraucher in der Stadt erstmals wieder gestiegen. Das zeigt der aktuelle Schuldner-Atlas des Inkassodienstleiters Creditreform. Demnach sind über 94 000 Münchner überschuldet, fast 4000 mehr als im Vorjahr. Philipp Ganzmüller, Geschäftsführer von Creditreform München, macht dafür die Preis- und Kostensteigerungen verantwortlich. „Nach zwei Jahren Rezession sind auch Überschuldungsauslöser wie Arbeitslosigkeit wieder spürbar.“ Besonders in Vierteln wie Am Hart mache sich das bemerkbar. „Dort leben viele Arbeiter, und die Krise im verarbeitenden Gewerbe schlägt sich nieder, denn viele haben ihren Job verloren“, sagt er.
Aktuell sind 7,5 Prozent der erwachsenen Münchner überschuldet. Damit liegt die Überschuldungsquote in München aber weiterhin unter dem bundesdeutschen Wert von gut 8 Prozent. Der Schuldner-Atlas definiert private Überschuldung als einen Zustand, in dem die Einnahmen einer Person nicht mehr ausreichen, um dauerhaft den finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Bei über vier Prozent der Münchner ist das der Fall. Betroffen sind laut Statistik doppelt so viele Männer wie Frauen. Das läge aber weniger an der Risikobereitschaft von Männern, sondern daran, dass sie die Haupt-Erwerbsverantwortlichen seien. „Die Migration bringt mit sich, dass traditionelle Rollenbilder eher wieder en vogue sind“, sagt der Experte.
Die aktuelle Auswertung zeigt für 36 Stadtteile steigende Schuldnerquoten, während lediglich in zehn Gebieten die Schuldnerquote abnahm. Neben Am Hart (Schuldnerquote: 12,3 Prozent) betrifft es vor allem die Bewohner der Ludwigsvorstadt – aber auch der Altstadt (11,7 Prozent). „Dort gibt es viele Wohnheime karitativer Träger, das macht einen großen Teil der Betroffenen aus.“
Dagegen gibt es in Daglfing, Bogenhausen und Aubing einen merklichen Rückgang der Schulden. „München ist die teuerste Stadt der Republik, nicht nur bei den Wohnungen auch die Kitakosten beispielsweise sind sehr hoch.“ Ganzmüller unterscheidet zwischen „weich“ und „hart“ verschuldeten Menschen. Letztere haben bereits gerichtliche Einträge wie Insolvenzverfahren. Während die weich verschuldeten Haushalte zwischen drei- und vierstellige Summen an Schulden angehäuft haben, sind es bei den hart verschuldeten eher fünfstellige. In München hat eher die Zahl der weich verschuldeten zugenommen.
Besonders die Älteren hat es getroffen. Das Durchschnittsalter überschuldeter Verbraucher hat sich in Deutschland auf 46,3 Jahre erhöht. Aber auch die Zahl der jüngeren Verschuldeten hat zugenommen. „In den Schulen ist es nach wie vor so, dass Finanzkompetenz nicht gelehrt wird“, sagt Ganzmüller. „Viele junge Leute werden ins Leben entlassen und sind erschreckend planlos, welche Herausforderungen so eine moderne Volkswirtschaft mit sich bringt.“ Ein neuer Trend bei Tiktok, sich dafür zu feiern, wie viele Schulden man beim Bezahlungsanbieter Klarna angehäuft habe, trage ebenfalls zur Überschuldung bei. „Die finden das toll, dass sie tausende Euro offen haben. Die verzocken ihre Zukunft.“
GABRIELE WINTER