Bundestag

Eine hitzige Generaldebatte

von Redaktion

Von Jörg Blank

Berlin – Gut 13 Minuten hat sich Martin Schulz angehört, wie Alexander Gauland Straftaten von Asylbewerbern und Flüchtlingen vorträgt und Angela Merkel vorhält, ihre Migrationspolitik gefährde den inneren Frieden im Land. Was dann passiert, ist in Ton und Inhalt ungewöhnlich im Bundestag. Direkt nach Gauland bittet der SPD-Kanzlerkandidat von 2017 am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags über Merkels Kanzleramtsetat um das Wort. Voller Emotion versucht er, rhetorische Tricks des AfD-Fraktionschefs zu entlarven.

Empört ruft der SPD-Mann Gauland zu, dieser bediene sich der „Mittel des Faschismus“. Die Reduzierung auf ein einziges Thema sei ein bekanntes Stilmittel. „Die Migranten sind an allem schuld. Eine ähnliche Diktion hat es in diesem Hause schon einmal gegeben“, warnt Schulz, er meint den Nationalsozialismus. Es sei nun an der Zeit, „dass sich die Demokratie gegen diese Leute wehrt“. Schulz bekommt von der Linken Applaus, am Ende stehen sie auch bei SPD und Grünen auf und klatschen.

Nach Schulz’ Wutausbruch fällt auch der sonst beherrschte Gauland kurz aus der Rolle. Der Ex-CDU-Staatssekretär ruft: „Das ist nicht mein Niveau, auf dem ich mich mit Ihnen auseinandersetze.“ Schulz versuche, die AfD „aus dem demokratischen Konsens auszugrenzen“ – das werde nicht gelingen. Später sind die verbalen Attacken des SPD-Politikers Johannes Kahrs für die AfD-Abgeordneten so unerträglich, dass sie geschlossen das Plenum verlassen.

Dass Gauland so dünnhäutig ist, könnte damit zu tun haben, dass die Zahl der AfD-Mitglieder, für die sich die Verfassungsschutzbehörden der Länder interessieren, zuletzt zugenommen hat. In seiner Rede betont Gauland zwar selbstbewusst, die AfD habe nichts zu verbergen und deshalb auch keine Angst vor einer möglichen Beobachtung. Doch die Tatsache, dass AfD-Funktionäre in Chemnitz teilweise zur gleichen Zeit auf den Straßen unterwegs waren wie Rechtsextremisten, sehen auch Angehörige des bürgerlichen Spektrums seiner Partei mit Sorge.

Merkel, die Gaulands Rede ungerührt wie meist mit demonstrativer Arbeit an ihrem Redemanuskript begleitet hat, versucht im Anschluss mit klaren Worten die nach den Vorfällen von Chemnitz und Köthen aufgeladene Stimmung im Land zu beruhigen. Eindringlich warnt sie vor Ausgrenzung: „Juden und Muslime gehören genauso wie Christen und Atheisten zu unserer Gesellschaft.“ Sie verstehe ja, dass viele Menschen aufgewühlt seien durch mutmaßlich von Asylsuchenden begangene Straftaten, sagt Merkel. Es gebe aber „keine Entschuldigung und Begründung für Hetze, zum Teil Anwendung von Gewalt, Naziparolen, Anfeindungen von Menschen, die anders aussehen, die ein jüdisches Restaurant besitzen, für Angriffe auf Polizisten“.

Eine kleine Lektion in Realpolitik gibt Merkel dann noch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, ohne sie beim Namen zu nennen. „Einfach zu behaupten, wir könnten wegsehen, wenn irgendwo Chemiewaffen eingesetzt werden und eine internationale Konvention nicht eingehalten wird, das kann auch nicht die Antwort sein“, sagt sie und meint die kategorische Absage der SPD-Chefin an ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg. „Von vornherein einfach Nein zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein.“

Und das eigentliche Thema dieses Tages, die Pläne der Regierung samt Etat für das kommende Jahr? Wurde in der aufgeladenen Stimmung fast zum Randaspekt. FDP-Chef Christian Lindner erklärt, der vorgelegte Bundeshaushalt sei „ein Haushalt der fahrlässig verweigerten Gestaltung“. Und: Die Bundesregierung hätte Subventionen abbauen oder auf neue Subventionen wie das Baukindergeld verzichten können. Dies hätte etwa ein Entfallen des Solidaritätszuschlags ab 2021 ermöglicht.

Artikel 9 von 11