Frau Münch, für die SPD geht es langsam um die schiere Existenz, oder?
Die Parteiführung darf sich jetzt nicht selbst in die Existenznot hineinreden. Stattdessen sollten alle in der SPD-Spitze die Klappe halten und überlegen, wie sie aus der Krise rauskommen. Ein Teil des miesen Europawahlergebnisses hatte damit zu tun, dass die Partei nur damit beschäftigt war, Schuldige für das absehbare Scheitern zu suchen.
Was halten Sie vom Übergangstrio an der Spitze?
Manuela Schwesig und Malu Dreyer sind zwei in die Zukunft blickende Frauen. Thorsten Schäfer-Gümbel hat zumindest viel Erfahrung im Scheitern gemacht – das ist ja auch nicht verkehrt.
Wäre es nicht besser, möglichst bald einen neuen Parteichef zu finden?
Die Lösung ist vernünftig. Die SPD wäre gut beraten, die Landtagswahlen im Herbst in Ostdeutschland mit dem Übergangspersonal zu bestreiten. Würde man vorher eine neue Spitze bestimmen und die Wahlen gingen verloren, dann fiele das der neuen Führung auf die Füße.
Das Trio will nicht für den Parteivorsitz kandidieren. Wer käme denn infrage?
Ich hätte Schwesig für eine gute Kandidatin gehalten. Auch Dreyer genießt in der Partei höchstes Vertrauen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will auch nicht. Arme SPD.
Jenseits von Personaldebatten: Wie kann sich die Partei wieder aufrichten?
Das größte Problem sind die abhandengekommenen Wähler. Den klassischen Arbeiter gibt es kaum mehr, heutige Arbeitnehmer gehen zu verschiedenen Parteien – von den Grünen bis zur AfD. Die SPD weiß nicht mehr, wer ihre Hauptwählergruppe ist. Sie muss sich fragen: Für wen wollen wir künftig Politik machen und welche Politik wollen wir machen?
Eine komplett neue Aufstellung also. Hat die SPD überhaupt die Kraft dazu?
Das wird hart. Die größte Aufgabe ist vielleicht die Abgrenzung von den Grünen. Aus den Sozialdemokraten wird keine ökologische Partei, dieses Rennen können sie nur verlieren. Die SPD muss die Sorgen von Arbeitnehmern in Anbetracht von Globalisierung und Digitalisierung aussprechen und lösen. Da gibt es ein Potenzial – auch wenn es nie mehr so groß sein wird, wie es mal war.
Muss die SPD raus aus der GroKo?
Sie hat die Wahl zwischen zwei Übeln. Sie kann in der GroKo mit der Union weiter an Ansehen verlieren und so einen grünen Kanzler und eine starke Ost-AfD produzieren. Oder sie kann in Neuwahlen die eigene Mandatszahl mindestens halbieren.
Interview: Marcus Mäckler